1. Tagung der IV.Generalsynode der VELK
25. Juni 1985
Information Nr. 265/85 über die konstituierende 1. Tagung der IV. Generalsynode der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirchen (VELK) in der DDR vom 13. bis 16. Juni 1985 in Leipzig
An der konstituierenden 1. Tagung der IV. Generalsynode der VELK in der Paul-Gerhardt-Kirche in Leipzig-Connewitz nahmen die drei Bischöfe der Evangelisch-Lutherischen Landeskirchen in der DDR (Leich,1 Stier2 und Hempel3) sowie 29 der 31 gewählten und berufenen Synodalen teil. Als ausländische Gäste waren anwesend: Oberkirchenrat Schmale/Hermannsburg4 (BRD), Lutherisches Kirchenamt der VELKD (BRD), Dr. Mau/USA,5 zurzeit Genf, Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes (LWB).6
Die von ihnen an die Tagung gerichteten Grußworte trugen ausschließlich innerkirchlichen und theologischen Charakter. Der Vertreter der BRD hob in seinem Beitrag u. a. hervor, dass ungeachtet der Gemeinsamkeit zwischen der VELK in der DDR und der VELKD (BRD) jede Kirche ihre eigenen Entscheidungen treffen müsse.
An der Synodaltagung nahmen zeitweilig der Kulturreferent der Ständigen Vertretung der BRD in der DDR, Kolitzus,7 sowie die Korrespondenten der westlichen Massenmedien Röder8 (epd/BRD), Jennerjahn9 (DPA/BRD) und Katzke10 (Reuters/Großbritannien) teil.
Die Tendenz aller im Jahre 1984 durchgeführten Synoden, wonach von der überwiegenden Mehrheit der kirchenleitenden Amtsträger und Synodalen realistische Positionen bezogen wurden, war auch während der konstituierenden 1. Tagung der IV. Generalsynode der VELK festzustellen. Sie war inhaltlich im Wesentlichen von den grundsätzlichen politisch-realistischen Aussagen des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR (BEK) im Zusammenhang mit dem 40. Jahrestag des Sieges über den Hitlerfaschismus und der Befreiung des deutschen Volkes und von langfristigen Orientierungen zur Profilierung der evangelischen Kirchen in der DDR als Kirche im Sozialismus geprägt.
Ein weiterer Schwerpunkt der Synodaltagung bestand in der Erörterung der »Vereinbarung über das Zusammenwirken bei der Wahrnehmung der Aufgaben der VELK und des BEK in der DDR«. Internen Einschätzungen zufolge soll durch diese »Vereinbarung« das Bestreben der VELK in der DDR vorangetrieben werden, durch kontinuierliche weitere Aufgabenübertragung an den BEK in der DDR den Weg zu einer »verbindlicheren Gemeinschaft der evangelischen Kirchen in der DDR« (Vereinigte Evangelische Kirche) weiter zu beschreiten. In diesem Zusammenhang wird intern eingeschätzt, die anstelle der vorgesehenen Neuwahl des leitenden Bischofs der VELK erfolgte einjährige Verlängerung der Amtszeit von Bischof Leich/Eisenach sei darauf zurückzuführen, dass sich kein Bischof zur Wahl nominieren lassen wollte, bevor die Frage nach dem weiteren Weg der VELK in der DDR nicht geklärt ist.11
Im Mittelpunkt der konstituierenden Synodaltagung der VELK standen:
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Bericht des amtierenden leitenden Bischofs der VELK, Bischof Leich,
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Tätigkeitsbericht der Kirchenleitung der VELK,
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Plenardebatte zu den Berichten,
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Konstituierung der Synode (Wahl des Präsidenten der Generalsynode, des Präsidiums, der Synodalausschüsse, der synodalen Kirchenleitungsmitglieder und des leitenden Bischofs),
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innerkirchliche und theologische Fragen (Finanzplan 1986/87, »Vereinbarung über das Zusammenwirken bei der Wahrnehmung der Aufgaben der VELK und der BEK in der DDR«).
Die Tagung wurde mit einem Gottesdienst, an dem ca. 60 Personen teilnahmen, eröffnet. Die von Bischof Leich gehaltene Predigt trug ausschließlich innerkirchlichen und theologischen Charakter.
In seinem Bericht ging Bischof Leich u. a. ausführlich auf den 40. Jahrestag der »Befreiung des deutschen Volkes von der faschistischen Gewaltherrschaft« ein. Er bekräftigte den Begriff der »Befreiung« als »unanfechtbare Wertung der Überwindung der Geschichte der faschistischen Gewaltherrschaft«, unterstrich die Bedeutung des Sieges der Alliierten, »unter denen die Sowjetunion die größten Opfer gebracht hat« und stellte fest: »Nicht der 8. Mai 1945, sondern der 30. Januar 1933 und die Entstehung des Nationalsozialismus ist das Datum der Katastrophe für unser Volk.« Als Lehren seien nach seiner Auffassung aus diesem Abschnitt der deutschen Geschichte u. a. zu ziehen, »jeder Bewegung den Kampf anzusagen, die mit der faschistischen Gewaltherrschaft vergleichbar ist«; der »Vergleichspunkt« sei »die Achtung vor der Würde jedes einzelnen Menschen, die durch die Verfassung unseres Staates ausgesprochen ist, indem sie allen Bürgern, unabhängig von rassischer und sozialer Herkunft und unabhängig von Weltanschauung oder Glauben, die gleichen Rechte zuspricht«; jedoch sei »die Würde des Anderen und Andersdenkenden nie selbstverständlich Gemeingut … Sie wird immer wieder zur Aufgabe, um die in Staat und Gesellschaft gerungen werden muss«; »alles Menschenmögliche dafür einzusetzen, dass von deutschem Boden nie wieder ein Krieg ausgeht. Wir haben den Auftrag, mit unseren Mitteln um jenes Mindestmaß an Vertrauen zu werben, das als Grundlage für einen beständigen Frieden unter den Völkern unabdingbar ist … Es ist aus dieser Situation zutiefst verständlich, wenn junge Menschen die Geduld verlieren, wenn sie angesichts der ständigen Aufrüstung das Vertrauen nicht mehr aufbringen, dass unsere Welt mit normalen Mitteln der Politik noch gerettet werden könnte. Die Suche nach der großen und radikalen Alternative beginnt und wehrt alle Bedenken hinsichtlich der Verwirklichung oder gar neu entstandener Gefahren aus dem Bereich älterer Erfahrungen ab.«
In diesem Zusammenhang wertete Bischof Leich das gemeinsame »Wort zum Frieden« des BEK in der DDR und der EKD/BRD und Westberlin als »beispielhaft für den Einsatz der Kirche im politischen Bereich«.12
Bei dem Tätigkeitsbericht der Kirchenleitung der VELK, der allen Synodalen schriftlich übergeben wurde, handelt es sich im Wesentlichen um das gleiche Dokument, das bereits auf der 6. Tagung der III. Generalsynode der VELK (vom 4. bis 16. Juni 1984 in Eisenach) vorgelegt worden ist. Für die konstituierende 1. Tagung der IV. Generalsynode der VELK wurde es lediglich durch eine zehnseitige Ergänzung aktualisiert.
Im Tätigkeitsbericht wird Rechenschaft über die sachbezogene Arbeit der Kirchenleitung im Zeitraum der Legislaturperiode der III. Generalsynode (1978/85) abgelegt. Er trägt vorwiegend innerkirchlichen und theologischen Charakter. Breiten Raum nimmt die Darstellung des Sachstandes und der Bemühungen der VELK um eine »intensivere Gemeinschaft der evangelischen Kirchen in der DDR« (VEK) ein. Auf die besonderen Beziehungen der VELK in der DDR zur VELKD (BRD) wird im Bericht lediglich kurz verwiesen und hervorgehoben, »die geistliche Gemeinschaft mit der VELKD« sei »unverzichtbar«. Des Weiteren wird im Tätigkeitsbericht im Zusammenhang mit dem »kirchlichen Friedenszeugnis« ausgeführt, »die Rede vom gerechten Krieg« sei »heute nicht mehr zu vertreten«. Es gehe gegenwärtig einzig und allein »um Kriegsverhütung durch Friedenssicherung«.
In der Plenardebatte zum Bericht von Bischof Leich sprachen neun Synodalen, die sich ausschließlich auf den Berichtsteil zum 40. Jahrestag bezogen. Sie unterstützten Bischof Leich einhellig bezüglich der differenzierten Analyse des Wortes »Befreiung«.
Der Synodale Pfarrer Kandler/Freiberg13 erklärte, der 8. Mai 1945 stelle »ungeachtet seiner Folgen, unter denen man leide, wie der massive Abfall von Gott, die Spaltung Deutschlands usw., ein Tag der Gnade« dar, da der Kirche »neues Vertrauen« auch seitens »der Siegermächte geschenkt« worden sei.
Der Synodale Oberlandeskirchenrat Schwintek/Dresden14 beantragte, die Synodaltagung sollte einen Beschluss fassen, sich die im Bericht von Bischof Leich aufgezeigten Lehren des 8. Mai 1945 zu eigen zu machen. Er bezog sich dabei besonders auf die Aussagen, dass von deutschem Boden nie wieder ein Krieg ausgehen dürfe und der Kampf gegen jegliche Art faschistischer Bewegung zu führen sei.
Durch die Synodalen Dr. Stahl/Altenburg,15 Pfarrer Adolph/Struppen16 und Planungsleiter Geier/Greiz17 wurden in diesem Zusammenhang gleichzeitig Bezüge zu weiteren gesellschaftlichen Bereichen in der DDR hergestellt.
So erklärte Dr. Stahl, dass dort die Würde des Menschen missachtet würde, wo nur eine Meinung mit Gewalt durchgesetzt wird. Dies gelte für Kirche und Gesellschaft.
Pfarrer Adolph verwies darauf, der Begriff »Befreiung« sage aus, dass man wirklich frei sei, jedoch nach wie vor »Dinge geschehen«, die nicht wirklich »frei machen«.
Der Synodale Geier erklärte, es sei generell in Kirche und Gesellschaft nicht verstanden worden, dafür zu sorgen, dass »die Schuld aufgearbeitet« wurde.
In seiner zusammenfassenden Antwort unterstrich Bischof Leich, er habe absichtlich nicht als Christ von »Befreiung im absoluten Sinne« gesprochen, sondern zielgerichtet »politisch geredet«.
Die Diskussion zum Tätigkeitsbericht trug ausschließlich innerkirchlichen und theologischen Charakter.
Im Rahmen der konstituierenden 1. Tagung der IV. Generalsynode erfolgte die Wahl des Präsidenten, des Präsidiums und der Synodalausschüsse. Bei der Wahl gab es keine wesentlichen Veränderungen im Kräfteverhältnis. Es wurden gewählt:
Zum Präsidenten der Generalsynode (erneut): Textilingenieur Heinrich, Günter,18 Saupersdorf, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt (er übte dieses Amt bereits während der Legislaturperiode der III. Generalsynode aus und zählt als Mitglied der NDPD und des Bezirksausschusses der Nationalen Front Karl-Marx-Stadt zu den politisch-realistischen kirchlichen Amtsträgern);
Zu Stellvertretern des Präsidenten (Vizepräsidenten): Pastorin Katte, Brigitte,19 Fröttstädt, [Bezirk] Erfurt (neu in der Funktion, noch nicht einschätzbar), Diakon Beyer, Eberhard,20 Güstrow, [Bezirk] Schwerin (loyale Position);
Zu Beisitzern des Präsidiums: Rechtsanwältin Huhn, Martina,21 Hopfgarten, [Bezirk] Leipzig (politisch negative Grundeinstellung), Kreisoberpfarrer Knoll, Friedrich,22 Greiz-Gommla, [Bezirk] Gera (loyale Haltung);
Zu synodalen Kirchenleitungsmitgliedern der VELK: Oberlandeskirchenrat Schwintek, Martin, Dresden, Präsidentin Schultheiß, Christina,23 Stadtroda, [Bezirk] Gera, Internatsleiterin Kahle, Anneliese,24 Großhennersdorf, [Bezirk] Dresden (alle loyale Position), Oberkirchenratspräsident Müller, Peter,25 Schwerin (politisch-realistische Grundeinstellung), Superintendent Große, Ludwig,26 Saalfeld, [Bezirk] Gera (ausgeprägt feindlich-negative Grundeinstellung zur Staats- und Gesellschaftsordnung in der DDR).
Im Zusammenhang mit der vorgesehenen Neuwahl des leitenden Bischofs wurde seitens der Kirchenleitung der VELK in der DDR der Synodaltagung der Vorschlag unterbreitet, auf eine derartige Wahl zu verzichten und lediglich der Fortsetzung der Tätigkeit des amtierenden leitenden Bischofs zuzustimmen. Zur Erörterung dieses Vorschlags erfolgte die Durchführung einer geschlossenen Plenardebatte, in deren Ergebnis der Vorschlag der Kirchenleitung bestätigt und die Amtszeit von Bischof Leich um ein weiteres Jahr verlängert wurde.
Im Ergebnis der konstituierenden 1. Tagung bestätigte die Generalsynode durch Beschlussfassung vollinhaltlich den Bericht des amtierenden leitenden Bischofs der VELK in der DDR, Bischof Leich, und die »Vereinbarung über das Zusammenwirken bei der Wahrnehmung der Aufgaben der VELK in der DDR und des BEK in der DDR«.
Die 2. Tagung der IV. Generalsynode der VELK in der DDR findet vom 12. bis 15. Juni 1986 im Bereich der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs statt.
(Alle Dokumente der konstituierenden 1. Tagung der IV. Generalsynode der VELK in der DDR liegen im Originalwortlaut vor und können bei Bedarf angefordert werden.)
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