7. Tagung der XVIII.Synode der Evangelischen Landeskirche Anhalts
15. Mai 1985
Information Nr. 208/85 über die 7. Tagung der XVIII. Synode der Evangelischen Landeskirche Anhalts
In der Zeit vom 25. bis 27. April 1985 fand in der Diakonissenanstalt Dessau die 7. Tagung der XVIII. Synode der Evangelischen Landeskirche Anhalts statt, an der alle 39 gewählten und berufenen Synodalen teilnahmen.
Als ausländische Gäste der Synode waren anwesend: Bähr, Gustav-Adolf,1 Präsident der Synode der Evangelischen Kirche der Pfalz/BRD, Grünhaupt, Siegfried,2 Landeskirchenrat, Evangelische Kirche Westfalens/BRD, Windmann, Ute,3 Mitglied der Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Schaumburg-Lippe/BRD.
Die Grußworte der Gäste aus der BRD beinhalteten im Wesentlichen theologische Fragen. Alle Gastredner hoben jedoch in ihren Beiträgen die »besondere Gemeinschaft« zwischen den evangelischen Kirchen der BRD und der DDR hervor.
Im Mittelpunkt der 7. Tagung standen der Bericht des Landeskirchenrates (gehalten durch Kirchenpräsident Natho/Dessau4), die Wahl der Synodalen der 5. Legislaturperiode der Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR (BEK) sowie innerkirchliche und theologische Fragen.
Der Inhalt des Berichtes der Kirchenleitung, die dazu geführten Diskussionen und die gefassten Beschlüsse stimmten im Wesentlichen mit den auf der Tagung der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR5 (8./9. März 1985) gegebenen Orientierungen überein. Es erfolgten keine Angriffe gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung in der DDR.
Der Bericht enthielt neben vielfältigen theologischen Fragen auch einige bedeutsame Aussagen zu aktuellen politischen und das Verhältnis Staat – Kirche betreffenden Fragen.
Die vorgenommene Wertung des 40. Jahrestages der Befreiung6 und der in diesem Zusammenhang unternommene Versuch, aus kirchlicher Sicht eine Analyse der »Gründe des Versagens des deutschen Volkes gegenüber dem Nationalsozialismus« vorzunehmen, enthielt überwiegend politisch-realistische Aussagen.
Das Verhältnis Staat – Kirche wurde insgesamt als positiv bewertet. Bei der im Kirchenleitungsbericht enthaltenen Darstellung von »Einsichten aus dem 40-jährigen Lernprozess der Kirchen« wurden jedoch erneut Bestrebungen erkennbar, ein gewisses Mitspracherecht in gesellschaftlichen Belangen zu erwirken.
Zum Verlauf der 7. Tagung:
Im Bericht der Kirchenleitung wurde als wesentlichste Ursache für das Entstehen des Faschismus das »Versagen des deutschen Volkes« genannt. Kirchenpräsident Natho verwies darauf, dass das deutsche Volk und damit auch die Kirchen in Deutschland ihrer politischen Verantwortung zur Verhinderung des Machtantritts des Faschismus, seiner Machtausweitung und der Entfachung des Zweiten Weltkrieges nicht gerecht geworden seien. Daraus schlussfolgerte er, die Friedensfrage sei das entscheidende politische Kriterium, hinter dem alle anderen gesellschaftlichen Probleme zurücktreten müssten. Dies erfordere nicht nur klare politische Willensbekundungen, sondern auch die Bereitschaft, den Frieden durch Verhandlungen zu sichern und die Gesprächsfähigkeit über Grenzen hinweg zu erhalten.
Zur »Koalition der Vernunft« gebe es keine Alternative. Auch die evangelischen Kirchen müssten ihr Augenmerk weiter darauf konzentrieren, wo und wie durch Verhandlungen und Verträge der Frieden gesichert und Vertrauen gestärkt werden könnten. Sicherheit sei immer als die Sicherheit des anderen in einer Verantwortungsgemeinschaft zu verstehen.
Wichtige Lehren aus dem 40-jährigen Lernprozess für die Kirchen seien
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die politische Mitverantwortung der Christen,
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die »Möglichkeit, die Macht zu kritisieren und zu kontrollieren, ohne sie infrage zu stellen«,
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den Konflikt zwischen »individuellen und gesellschaftlichen Menschenrechten auszuhalten und immer wieder kritisch aufzuarbeiten.«
Auf das Verhältnis Staat – Kirche eingehend, betonte Kirchenpräsident Natho, für ihn gehöre das Leben der Kirche in diesem Staat zu den »großen Geschenken Gottes«. Seit dem Gespräch mit dem Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Genossen Honecker, am 6. März 19787 sei eine merkliche Verbesserung des Verhältnisses Staat – Kirche festzustellen.
Die Eigenständigkeit der Kirchen erfahre den Respekt staatlicher Autorität, und das Verbindende bestehe in dem gemeinsamen Anliegen der Erhaltung des Friedens. Bei Hervorhebung der Notwendigkeit der Beibehaltung des Grundsatzes nach Trennung zwischen Staat und Kirche forderte Kirchenpräsident Natho, dass »unsere Kinder mit unverletztem Gewissen, mit Freude und ohne Angst als junge Christenmenschen die Schule besuchen können und dort jenes Maß der Achtung erfahren, welches die kirchlichen Amtsträger unserer Kirche mit großer Selbstverständlichkeit schon seit Jahrzehnten in unserem Staat entgegengebracht bekommen«.
In der kurzen Diskussion zum Bericht wurde den darin enthaltenen politischen Aussagen zugestimmt und wiederholt auf die »friedensfördernde Bedeutung einer christlich motivierten Mitarbeit in der sozialistischen Gesellschaft« hingewiesen.
In einer von der Synode bestätigten Entschließung wurde dem Bericht der Kirchenleitung zugestimmt. Außerdem wurde festgelegt, diesen Bericht allen Kirchengemeinden zur Kenntnis zu geben und eine Arbeitsgemeinschaft zu bilden, die die Kirchengeschichte der Evangelischen Landeskirche Anhalts seit dem Jahre 1933 aufarbeiten soll.
Eine im Rahmen der Synodaltagung stattgefundene geschlossene Sitzung behandelte im Wesentlichen innerkirchliche Fragen. Kirchenpräsident Natho nutzte jedoch diese Sitzung, um an die Anwesenden zu appellieren, die Gesetze der DDR einzuhalten. So forderte er u. a. von den zuständigen staatlichen Organen Genehmigungen für das Auftreten von Personen in kirchlichen Veranstaltungen einzuholen, die im Rahmen der kirchlichen Partnerschaftsarbeit auf privater Basis eingeladen werden.
Außerdem sprach er sich für eine Einschränkung von Dienstreisen in das nichtsozialistische Ausland aus.
Zwei durch die Kirchenkreise Bernburg und Ballenstedt eingebrachte Eingaben, in denen die Synode aufgefordert wird, Probleme des Umweltschutzes zu behandeln und zu dieser Thematik eine Sondersynode durchzuführen, einen diesbezüglichen Informationsdienst einzurichten sowie auf eine Mitarbeit in der Gesellschaft »Natur und Umwelt« des Kulturbundes der DDR8 zu orientieren, wurden an den Landeskirchenausschuss »Kirche und Gesellschaft« verwiesen.
Die Synode wählte zwei Mitglieder für die 5. Legislaturperiode der Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR (BEK).
Der Termin für die nächste geschlossene Tagung der XVIII. Synode wurde auf den 1. und 2. November 1985 festgelegt.
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