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Auskunft über Eberhard Cohrs

15. April 1985
Auskunft über Cohrs, Eberhard [K 3/74]

Der freischaffende Unterhaltungskünstler Cohrs, Eberhard1 (64), geboren am 4.1.1921 in Dresden, bis 1977 wohnhaft gewesen in Diensdorf-Radlow, Kreis Beeskow, Bezirk Frankfurt/Oder, Uferweg, NW: Berlin-Pankow, Vesaliusstraße, Beruf: Konditor/Bäcker, parteilos, kehrte von einem ihm durch die Künstleragentur der DDR vermittelten Gastspielaufenthalt in Westberlin am 19.2.1977 nicht in die DDR zurück.

Für seine Nichtrückkehr in die DDR wurden keine politischen Motive bekannt. In seiner politischen Grundhaltung zu unserem Staat wurde er als loyal eingeschätzt.

(Hinweisen zufolge war Cohrs, Eberhard seit 18.1.1941 Angehöriger der faschistischen Wehrmacht und seit 6.8.1944 der SS. Vom 6.9.1944 bis 16.2.1945 gehörte er als Rottenführer zum SS-Totenkopf-Wachbataillon, Konzentrationslager Sachsenhausen. Es wurden in diesem Zusammenhang keine Hinweise auf eine Beteiligung an Verbrechen gegen die Menschlichkeit bekannt.)

Zwischen ihm und der Künstleragentur der DDR bestand insgesamt ein gutes Arbeitsklima. Cohrs nahm berufliche Verpflichtungen ernst und hielt die mit ihm abgeschlossenen Verträge ein. Es gab mit ihm keine ernsthaften politischen oder fachlichen Auseinandersetzungen. Bei Gastspielen in Westberlin und in der Schweiz trat er gegen die DDR nicht negativ auf.

Die Überprüfungen der von Cohrs im Februar 1977 laut westlichen Pressemeldungen angegebenen Gründe für seine Nichtrückkehr in die DDR – »zunehmende Beschränkung der künstlerischen Freiheit«, »Verweigerung von Gastspielen im westlichen Ausland« – erbrachten keine Bestätigung.

Bei den angeblich verweigerten Gastspielen handelte es sich um einen in der Zeit vom 28.12.1976 bis 31.1.1977 in der Schweiz vorgesehenen Einsatz, den die Vertragspartner selbst nicht bestätigten, da das Repertoire des Cohrs zu stark auf die Spezifik der DDR zugeschnitten war. Auch für eine im Jahre 1977 durch die Künstleragentur der DDR geplante BRD-Tournee mit Spitzenkünstlern der Unterhaltungskunst, darunter Cohrs, wurde dieser vom Vertragspartner nicht verpflichtet. Auf diese Absagen, übermittelt durch die Künstleragentur der DDR, reagierte Cohrs verstimmt, hinsichtlich der Angabe der Gründe offensichtlich ungläubig und betrachtete sie als Misstrauensvotum gegenüber seiner Person.

Zu einem ihm 1976 vom Generaldirektor des Komitees für Unterhaltungskunst der DDR angebotenen Exklusivvertrag, der neben einer Reihe finanzieller und sozialer Vergünstigungen auch die Zusammenarbeit mit einem Mentor vorsah (in der Absicht, das sinkende Niveau der Darbietungen des Cohrs zu verbessern), gab Cohrs ohne Nennung von Gründen keine Zusage.

Hinweisen zufolge zeigte sich Cohrs bis 1977 stark materiell und finanziell interessiert. Er überschätzte seine künstlerischen Leistungen und ließ mehrfach durchblicken, dass er sich bezüglich der Verleihung hoher staatlicher bzw. gesellschaftlicher Auszeichnungen im Vergleich zu anderen Künstlern übergangen fühle.

In den ersten Wochen nach seinem ungesetzlichen Verlassen der DDR ließ sich Cohrs bereitwillig von westlichen Medien mit gegen die DDR gerichteten Verleumdungen vermarkten. Unter anderem verherrlichte er mehrfach in zum Teil primitiver Form die westliche Lebensweise. Mehrfach wurden die »Reisefreiheit im Westen« verherrlichende Äußerungen (u. a. »endlich reisen, ohne Rentner zu sein«) von Cohrs veröffentlicht.

Publikationen in westlichen Medien über Cohrs wurden wenige Wochen nach seinem ungesetzlichen Verlassen der DDR immer geringer und bildeten in den darauffolgenden Jahren nur noch die Ausnahme.

Hinweisen zufolge entwickelte Cohrs mit Beginn seines Aufenthaltes in Westberlin viele Aktivitäten, um mit einem eigenen Programm auftreten zu können, wozu er in dieser Zeit zunächst auch Gelegenheit erhielt. In allen Fällen wurde er entweder nicht wieder verpflichtet bzw. die Verträge mit ihm wurden nicht verlängert.

Cohrs hatte eine geringe Publikumsresonanz, zunehmend wurde öffentlich Kritik an seinem künstlerischen Niveau geübt. Er bekam deshalb nur künstlerisch unbedeutende Auftritte (untergeordnete Rollen in verschiedenen Theatern, Kabaretts bis hin zu Auftritten auf Betriebsfesten und auf der Hamburger Reeperbahn).

Politisch beachtenswert ist die Mitwirkung des Cohrs in der in der Zeit vom 27.5. bis 27.8.1979 im »Zweiten Deutschen Fernsehen« ausgestrahlten und gegen die DDR gerichteten sechsteiligen Hetzserie »Freiheit die ich meine – Christen und Marxisten in der DDR«2 (Auftragswerk für Siegmar Faust3 und Alexander Ziebell4), in der Cohrs in der fünften Folge die Rolle eines Parteifunktionärs spielte.

(Mehrere westdeutsche Schauspieler hatten in dieser Serie Rollen abgelehnt mit der Begründung, sie wollten sich nicht als Instrument des kalten Krieges missbrauchen lassen. »Hör zu« 21/79,5 »Morgenpost« 27.5.19796)

1983 erschien von Cohrs das Buch »Späße mit Cohrs – Tolle Sketche zum Nachspielen«,7 herausgegeben durch den Falken-Verlag.

Politisch negative Aktivitäten und Äußerungen des Cohrs gegenüber der DDR, die über die angeführten Beispiele hinausgehen, wurden nicht bekannt.

Hinweisen zufolge seien bereits einige Wochen nach seinem ungesetzlichen Verlassen der DDR bei Cohrs Anzeichen von Resignation hinsichtlich seiner Anerkennung als Unterhaltungskünstler deutlich geworden, die sich nach öffentlichen Kritiken in der Folgezeit wesentlich verstärkt hätten. Ende 1977 berichtete »Stern«, bei Cohrs sei »Verzagtheit« festzustellen.

Die von Cohrs angestrebte Mitwirkung seiner Ehefrau, Schauspielerin und bisherige Partnerin in Unterhaltungssendungen (die nach offizieller Antragstellung und Genehmigung mit dem fünfjährigen Sohn am 15.4.1977 nach Westberlin übersiedelte), scheiterte in allen Fällen, da keine entsprechenden Verträge zustande kamen.

Diese Einstellung des Cohrs wurde auch in seinen Äußerungen gegenüber der Presse mit folgenden ausgewählten Beispielen deutlich: »Die freie Markt- und Humorwirtschaft im Westen ist irritierend«, »Ich hab das wohl zu sehr mit der linken Hand machen wollen«, »Man wird doch manchmal nachdenklich, wenn man merkt, was man gemacht hat und man kann nicht mehr zurück«.

  1. Zum nächsten Dokument Einnahmen Mindestumtausch, 8.–14.4.1985

    17. April 1985
    Information Nr. 161/85 über die Entwicklung. der Einnahmen aus der Durchführung des verbindlichen Mindestumtausches für die Zeit vom 8. April 1985 bis 14. April 1985

  2. Zum vorherigen Dokument Frühjahrssynoden Mecklenburg, Sachsen, Thüringen und Görlitz

    12. April 1985
    Information Nr. 149/85 über die Frühjahrssynoden der Evangelisch-Lutherischen Landeskirchen Mecklenburgs und Sachsens, der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen und der Evangelischen Kirche des Görlitzer Kirchengebietes im Zeitraum vom 21. bis 27. März 1985