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Berliner Bischofskonferenz (1)

25. März 1985
Information Nr. 117/85 über die Tagung der Berliner Bischofskonferenz vom 4. bis zum 6. März 1985 in der Hauptstadt der DDR, Berlin

Nach dem MfS vorliegenden streng internen Informationen befasste sich die planmäßige Tagung der Berliner Bischofskonferenz, die in der Residenz von Kardinal Meisner1 stattfand, u. a. mit einigen wesentlichen, das Verhältnis Staat – katholische Kirche betreffenden Problemen.

Schwerpunkte bildeten dabei die Auswertung des Gespräches des Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Genossen Erich Honecker,2 mit Landesbischof Dr. Hempel/Dresden3 vom 11. Februar 1985,4 verbunden mit einer Diskussion über die weitere »Handhabung« von Kontakten der katholischen Kirche zu den Staatsorganen der DDR sowie die weitere Vorbereitung des katholischen Jugendkongresses (17.5. bis 19.5.1985) in der Hauptstadt der DDR, Berlin.5

Kardinal Meisner wies, bezug nehmend auf das Gespräch zwischen dem Genossen Honecker und Landesbischof Dr. Hempel und die dazu erfolgte Pressemitteilung,6 darauf hin, dass dieses Gespräch nicht die ungeteilte Zustimmung aller kirchenleitenden Kräfte der evangelischen Landeskirchen in der DDR gefunden habe.

Anlass für kritische Meinungsäußerungen sei die Linie der Gesprächsführung Bischof Hempels gewesen, sich ausschließlich auf die Grundfrage, Erhaltung des Friedens, konzentriert und keine Sachfragen im Verhältnis Staat – Kirche angesprochen zu haben.

Durch Kardinal Meisner wurde erneut der Standpunkt bekräftigt, dass die katholische Kirche auch weiterhin an dem Grundsatz einer strikten Trennung Staat – Kirche festhalte. Alle Fragen, die das Verhältnis Staat – Kirche berühren, seien dieser Position unterzuordnen. Deshalb wäre auch entschieden worden, nicht im »Komitee der DDR zum 750-jährigen Bestehen von Berlin«7 mitzuwirken.

In diesem Zusammenhang begründete er die Notwendigkeit, bei Absprachen mit Vertretern des Staates die festgelegte Gesprächsebene strikt einzuhalten.

Zu Parteien und gesellschaftlichen Organisationen in der DDR würden auch weiterhin keine Kontakte unterhalten.

Bei zentralen Veranstaltungen anlässlich staatlicher Feier- und Gedenktage werde die Bischofskonferenz durch Beauftragte vertreten.

Die Teilnahme kirchlicher Amtsträger an nicht näher bezeichneten »Besonderen Veranstaltungen« in Städten und Gemeinden erfolge in Abhängigkeit von Festlegungen des jeweils zuständigen Bischofs.

Die Anwesenden stimmten dem Vorschlag Kardinal Meisners zu, diese Festlegungen aus aktuellem Anlass erneut schriftlich zu fixieren und allen kirchlichen Amtsträgern zu übergeben.

Unter Bezugnahme auf diese Festlegungen verurteilte Bischof Theissing/Schwerin8 die Teilnahme von Bischof Schaffran/Meißen,9 [Bezirk] Dresden an der staatlichen Gedenkveranstaltung anlässlich des 40. Jahrestages der Zerstörung Dresdens.

Vorliegenden internen Hinweisen zufolge war Bischof Theissing vom Ständigen Rat der Berliner Bischofskonferenz, inspiriert durch Kardinal Meisner, beauftragt worden, diese Kritik auszusprechen.

Bischof Schaffran wies den Vorwurf als nicht gerechtfertigt zurück. Er begründete seine Teilnahme an dieser Gedenkveranstaltung mit persönlichen Kriegserfahrungen und -erlebnissen. (Intern wurde bekannt, dass Bischof Schaffran Kardinal Meisner über seine geplante Teilnahme an der Gedenkveranstaltung in Kenntnis gesetzt hatte, worauf dieser ihm dringend geraten haben soll, von einer Teilnahme Abstand zu nehmen.)

Der Gesamtverlauf der Diskussion zu dem Themenkomplex »Kontakte der katholischen Kirche zu den staatlichen Stellen in der DDR« war von dem Bestreben der Mitglieder der Berliner Bischofskonferenz gekennzeichnet, Kardinal Meisner indirekt zu verstehen zu geben, ein Gespräch mit dem Vorsitzenden des Staatsrates der DDR anzustreben.

(In einem internen Gespräch äußerte Kardinal Meisner, als Termin für ein derartiges Treffen könnte, unter Berücksichtigung gebührender Zeitabstände zum Gespräch mit Landesbischof Dr. Hempel und dem XI. Parteitag der SED,10 eventuell Januar 1986 infrage kommen.)

In einem weiteren Tagesordnungspunkt befasste sich die Bischofskonferenz mit dem Stand der Vorbereitungen auf den katholischen Jugendkongress.

Kardinal Meisner informierte die katholischen Bischöfe über »Unstimmigkeiten«, die es hinsichtlich der Durchführung dieses Kongresses mit staatlichen Behörden in der DDR gegeben habe. Der katholischen Kirche sei unter Hinweis auf die Feierlichkeiten anlässlich des 40. Jahrestages der Befreiung vom Hitlerfaschismus und auf die im Mai 1985 geplanten Jugendveranstaltungen (XII. Parlament der FDJ,11 Pfingsttreffen der Jugend) nahegelegt worden, Zeitpunkt und Tagungsort des Kongresses zu ändern. Des Weiteren sei empfohlen worden, von der Einladung von Bischöfen aus anderen Ländern Abstand zu nehmen. Hinsichtlich des Veranstaltungstermins und -ortes habe die katholische Kirche mit dem Hinweis auf die weit gediehenen Vorbereitungen darum gebeten, den Kongress wie geplant durchführen zu können.

Den Standpunkt des Staates bezüglich der Teilnahme von Bischöfen habe man akzeptiert und entsprechende Korrekturen zugesagt.

Die Bischofskonferenz stimmte mit diesem Vorgehen Kardinal Meisners überein und unterstrich, dass der katholische Jugendkongress ausschließlich in ihrer Verantwortung liege und entsprechend den geltenden Grundsätzen im Verhältnis Staat – Kirche durchgeführt werde.

Außerdem wurden folgende organisatorische Maßnahmen beschlossen:

Der Zutritt zu allen kirchlichen Veranstaltungsräumen des Kongresses erfolgt ausschließlich mit einer Teilnehmerkarte.

In den Gesprächsrunden werden nur schriftlich eingereichte Fragen beantwortet.

Die vom Staat genehmigten 30 000 Aufkleber für die im Jahre 1985 stattfindenden Jugendwallfahrten werden erst nach Beendigung des Jugendkongresses an die katholischen Amtsbereiche übergeben.

Die Medienarbeit in Vorbereitung, Durchführung und Auswertung des Jugendkongresses erfolgt in Abstimmung zwischen Prälat Lange/Berlin12 und dem verantwortlichen Jugendseelsorger Grönwald/Berlin.13

Folgende Themenkomplexe und Gesprächsleiter wurden festgelegt:

  • 1.

    »Junge Christen und die Gemeinde« Weihbischof Weinhold/Dresden,14 Prof. Friemel,15 Priesterseminar Erfurt

  • 2.

    »Jugend und Freizeit« Bischof Wanke/Erfurt,16 Prof. Ullrich,17 Priesterseminar Erfurt

  • 3.

    »Junge Christen im Verhältnis zur Arbeit und Arbeitswelt« Bischof Huhn/Görlitz,18 Pfarrer Nowak,19 Priesterseminar Erfurt20

  • 4.

    »Junge Christen in der Partnerschaft und Ehe« Weihbischof Hubrich/Magdeburg,21 Prof. Ernst,22 Priesterseminar Erfurt

  • 5.

    »Junge Christen – Zeugnis der Christen in der Öffentlichkeit« Weihbischof Werbs/Schwerin,23 Prof. Feiereis,24 Priesterseminar Erfurt

Abschließend unterrichtete Kardinal Meisner die Anwesenden darüber, dass erstmalig ein katholischer Geistlicher nicht von einer Dienstreise in die BRD (11. bis 19.2.1985 München/BRD) in die DDR zurückgekehrt sei. (Es handelt sich hierbei um einen Kaplan, 32 Jahre, Mitglied des Dominikaner-Ordens Leipzig.) Meisner verwies darauf, alles unternommen zu haben, um diesen Kaplan zu einer Rückkehr in die DDR zu bewegen. Der Kaplan habe sein Verhalten gegenüber Kardinal Meisner damit motiviert, in Leipzig in homosexuelle Kreise geraten zu sein, denen er sich nur durch eine »Flucht« entziehen konnte. Gleichzeitig habe er erklärt, diese Entscheidung auch bei Androhung von Konsequenzen nicht rückgängig machen zu wollen, obwohl er sich bewusst sei, dass aus seinem Verhalten der katholischen Kirche Schwierigkeiten erwachsen könnten.

Die Teilnehmer der Konferenz begrüßten die unternommenen Versuche, den Kaplan zu einer Rückkehr in die DDR zu bewegen und äußerten die Hoffnung, dass aus diesem Vorkommnis der katholischen Kirche künftig keine Schwierigkeiten bei der Erteilung von Genehmigungen für Dienstreisen erwachsen.

Entsprechend einer Empfehlung der Berliner Bischofskonferenz informierte Prälat Lange/Berlin am 11. März 1985 das Staatssekretariat für Kirchenfragen über die Motive des ungesetzlichen Verlassens der DDR durch den Kaplan.

Die Information ist wegen äußerster Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.

  1. Zum nächsten Dokument Einnahmen Mindestumtausch, 18.–24.3.1985

    26. März 1985
    Information Nr. 126/85 über die Entwicklung der Einnahmen aus der Durchführung des verbindlichen Mindestumtausches für die Zeit vom 18. März 1985 bis 24. März 1985

  2. Zum vorherigen Dokument Konferenz der Ev. Kirchenleitungen der DDR (2)

    22. März 1985
    Information Nr. 116/85 über die 97. ordentliche Tagung der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR (KKL) am 8. und 9. März 1985 in Buckow, [Bezirk] Frankfurt/Oder