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Berliner Bischofskonferenz (2)

25. Juni 1985
Information Nr. 266/85 über die turnusmäßige Sitzung der katholischen »Berliner Bischofskonferenz« am 3./4. Juni 1985 in der Residenz von Kardinal Meisner

Streng internen Hinweisen zufolge beschäftigte sich die Sitzung der katholischen »Berliner Bischofskonferenz« u. a. mit aktuellen Fragen, die Beziehungen Staat – katholische Kirche betreffend.

Der Vorsitzende der »Berliner Bischofskonferenz«, Kardinal Meisner,1 gab eine kurze Erklärung zum Zusammentreffen des Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Genossen Erich Honecker,2 mit dem Papst im April 1985 in Rom ab.3 Die Art dieses Vortrages sowie kommentierende Bemerkungen ließen seine ablehnende Position zu diesem Treffen und das Bemühen erkennen, die politische Bedeutung der Zusammenkunft herunterzuspielen. Meisner betonte, es habe sich lediglich um einen Höflichkeitsbesuch »auf ausdrücklichen Wunsch« Erich Honeckers gehandelt, dem im Vatikan »keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt« worden sei und den man dort »längst vergessen« hätte.

In Kreisen des Vatikans sei zu dem Treffen eingeschätzt worden, Erich Honecker hätte »durch Liebenswürdigkeit, Sachlichkeit und Sachkenntnis überzeugt«, und der Papst sei von der Persönlichkeit Erich Honeckers beeindruckt gewesen.

Leitende Kleriker im Vatikan würden die Ansicht vertreten, die Zugehörigkeit der DDR zum östlichen Bündnis wäre kein Hindernis für ein offenes Gespräch gewesen. Bemerkungen Erich Honeckers im Zusammenhang mit bestehenden freundschaftlichen Beziehungen zwischen der DDR und der VR Polen seien vom Papst als Geste des guten Willens ihm gegenüber empfunden worden.

Bischof Wanke/Erfurt4 hob in der Berichterstattung vor der »Bischofskonferenz« hervor, er habe das Treffen Honecker – Papst u. a. im Gottesdienst der »Männerwallfahrt« am 10. Mai 1985 im Kreis Worbis ausgewertet und betont, dieses Treffen sei »mit Erwartungen nach spürbaren Auswirkungen verknüpft«, u. a. in der Hinsicht, dass gläubige Erziehung auch Erziehung für den Frieden bedeute, dass die Nichtteilnahme an der »atheistischen Jugendweihe«5 nicht mit Feindschaft gegenüber der Gesellschaft gleichzusetzen sei und dass christliche Jugendliche, »die über den Wehrersatzdienst und die Rüstung laut nachdenken, keine schlechteren Jugendlichen sind«.

Kardinal Meisner erklärte während der »Bischofskonferenz«, die katholische Kirche habe im Zusammenhang mit den Feierlichkeiten zum 8. Mai 19856 am Prinzip der Trennung Staat – Kirche festgehalten. Die Entscheidung der »Bischofskonferenz«, mit einem religiös ausgerichteten Versöhnungsgottesdienst der Bischöfe (5.3.1985) »darauf zu reagieren«, sei richtig und ausreichend gewesen.

Meisner betonte, nach wie vor gehörten die kirchlichen Fragen »nicht in die Kompetenzen des Staates«, und »es gelte noch besser abzuwägen«, worüber der Staatssekretär für Kirchenfragen informiert werden müsse.

Als Bischof von Berlin und Vorsitzender der »Berliner Bischofskonferenz« gehe er davon aus, dass die katholische Kirche über ihre Tätigkeit allein entscheidet.

Richtig wäre gewesen, den Staatssekretär für Kirchenfragen über die Vorhaben des »Jugendkongresses« (17. bis 19. Mai 1985)7 sowie des »Katholikentreffens 1987«8 in Dresden in Kenntnis zu setzen.

Als falsch sei zu beurteilen, dass der staatlichen Forderung, keine ausländischen Gäste zum »Jugendkongress« einzuladen, entsprochen worden wäre. Es sei eine Fehlentscheidung seinerseits – Meisners – gewesen, den Vorsitzenden der Jugoslawischen Bischofskonferenz, Kardinal Kuharić,9 der zum Zeitpunkt des »Katholischen Jugendkongresses« zu einem Besuch bei ihm weilte, nicht zum Eröffnungsgottesdienst des »Jugendkongresses« einzuladen.

(Das MfS hatte in der Information Nr. 151/85 vom 29. April 1985 darüber berichtet.)

Die katholischen Bischöfe müssten allerdings berücksichtigen, dass man »diesen Staatssekretär zur Genehmigung von Dienstreisen und zur Erlassung des Mindestumtausches10 bei kirchlichen Einreisen brauche«; trotzdem erwarte er als Kardinal von den staatlichen Vertretern »Respekt und Entgegenkommen«.

Die »Berliner Bischofskonferenz« bestätigte einen Bericht über Verlauf und Ergebnisse des »Katholischen Jugendkongresses«. Bedeutsam sind in diesem Zusammenhang die im Bericht getroffenen Feststellungen, wonach der »Kongress« die Jugendarbeit abrechenbar »belebt« habe, insbesondere dahingehend, dass die jugendlichen Teilnehmer während der Veranstaltungen und danach in bisher nicht praktizierter Form kritisch und offen Standpunkte vertreten hätten, u. a. zu kirchlichen Grundsätzen (kirchliche Moralauffassungen seien zum Teil abgelehnt worden) sowie zu gesellschaftsbezogenen Fragen (wie Berufsausbildung, Jugendweihe, Wehrerziehung,11 NVA, Freizeitgestaltung). Äußerungen von katholischen Jugendlichen zufolge würden »Zwänge des atheistischen Staates« für sie zu Problemen führen.

Dadurch wären Diskussionen innerhalb von Veranstaltungen des »Katholischen Jugendkongresses« zu einseitig »auf die vorhandenen Schwierigkeiten« und nicht auf die Möglichkeiten des »Christseins« unter den sozialistischen Verhältnissen ausgerichtet gewesen.

In der zukünftigen Jugendarbeit der katholischen Kirche käme es »auf das Sichtbarmachen dieser Forderungen und deren Verwirklichung« an.

Festgestellt wurde weiter, insgesamt müsse die Arbeit mit der katholischen Jugend »an die erste Stelle der seelsorgerischen Tätigkeit rücken«.

Alle Bischöfe, Jugendseelsorger und katholischen Geistlichen seien aufgerufen, die Jugendlichen mit ihren Fragen »nicht allein zu lassen«.

Es wurde festgelegt, die in den Veranstaltungen des »Katholischen Jugendkongresses« vorgetragenen Probleme und Fragen in einem schriftlichen Dokument analytisch zu erfassen und dieses allen katholischen Bischöfen und Jugendseelsorgern als »Arbeitshilfe« zu übergeben.

Ein weiterer Diskussionspunkt im Verlauf der Sitzung der katholischen »Berliner Bischofskonferenz« betraf Probleme der Auseinandersetzungen in gynäkologischen Abteilungen katholischer Krankenhäuser hinsichtlich der grundsätzlichen Austragung jeder Schwangerschaft bzw. der Schwangerschaftsunterbrechung. Da Schwangerschaftsunterbrechungen in mehreren Fällen auch in katholischen Krankenhäusern praktiziert worden seien, solle das Problem von einem festgelegten Gremium »geklärt« werden (Caritasdirektor Puschmann/Berlin,12 Prof. Ernst/Priesterseminar Erfurt,13 und Fachärzte katholischen Glaubens). Es wurde darauf verwiesen, dass sich gegenwärtig auch die »Deutsche Bischofskonferenz« BRD mit diesem Problem beschäftigt und ein Dokument zur Veröffentlichung vorbereitet.

Bischof Wanke/Erfurt informierte die »Berliner Bischofskonferenz« über die Vorbereitungen der Bischofsweihe für den neu berufenen Weihbischof Koch14 am 6.7.1985, 9.30 Uhr im Erfurter Dom.

Nach kurzer Beratung über einzuladende Gäste – Bischof Wanke schlug die Bischöfe Scheele/Würzburg15 und Dyba/Fulda16 vor, die nach vatikanischem Recht Bistumsanteile im Amtsbereich Erfurt-Meiningen besitzen – wurde eine Einigung erreicht, von diesen Bistümern die Generalvikare und Weihbischöfe, jedoch nicht deren Bischöfe einzuladen.

Weiter sollen der Sekretär der »Deutschen Bischofskonferenz«, Prälat Schätzler/Bonn,17 der Generalsekretär des »Bonifatius-Werkes« Paderborn, Walf,18 sowie vier polnische Geistliche eine Einladung erhalten.

Bischof Wanke/Erfurt wurde nach Ablauf der dreijährigen Wählperiode als Mitglied des »Ständigen Rates« der Bischofskonferenz für weitere drei Jahre wiedergewählt. (Diesem Rat gehören außerdem der Vorsitzende, Kardinal Meisner, sowie dessen Stellvertreter, Bischof Theissing/Schwerin,19 an.)

Die Information ist wegen äußerster Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.

  1. Zum nächsten Dokument Konferenz der Evangelischen-Methodistischen Kirche in der DDR

    29. Juni 1985
    Information Nr. 267/85 über die turnusmäßige Konferenz der Evangelisch-methodistischen Kirche in der DDR (EmK)

  2. Zum vorherigen Dokument 1. Tagung der IV.Generalsynode der VELK

    25. Juni 1985
    Information Nr. 265/85 über die konstituierende 1. Tagung der IV. Generalsynode der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirchen (VELK) in der DDR vom 13. bis 16. Juni 1985 in Leipzig