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Demonstrativhandlung am Interhotel Potsdam

1. Februar 1985
Information Nr. 52/85 über eine Demonstrativhandlung einer Bürgerin der DDR vor dem Interhotel »Potsdam« in Potsdam

Am 30. Januar 1985, gegen 21.00 Uhr beging die DDR-Bürgerin Reiter, Katharina (25),1 beschäftigt als Bearbeiterin für Verkehrsökonomie im VEB Deutrans Potsdam-Babelsberg, eine Demonstrativhandlung, indem sie sich vor dem Haupteingang des Interhotels »Potsdam« auf den Erdboden legte und mit einer Steppdecke zudeckte. Neben sich hatte sie den Kinderwagen, in dem sich ihre einjährige Tochter befand, abgestellt.

Am Kinderwagen war ein Pappschild (40 × 40 cm) mit der handschriftlich gefertigten Aufschrift: »Dreiköpfige Familie sucht Wohnung« angebracht. Aufforderungen von Mitarbeitern des Interhotels, den Haupteingang unverzüglich zu verlassen, leistete die Reiter nicht Folge und beschimpfte das Hotelpersonal, worauf die Deutsche Volkspolizei verständigt wurde.

Bis zum Eintreffen von Angehörigen der DVP (21.15 Uhr) entstand am Hoteleingang eine Ansammlung von etwa 30 Personen (ausschließlich DDR-Bürger), die sich ablehnend über die Handlungsweise der Reiter äußerten.

Der Forderung der Angehörigen der DVP, sich zu erheben, kam die Reiter nur widerwillig nach. Das mitgeführte Kind wurde unverzüglich der ärztlichen Betreuung zugeführt.

Die bisher geführten Untersuchungen ergaben, dass die Reiter mit ihrem Ehemann (26, Kellner, tätig in der Gaststätte »Zum Rathaus« in Glindow, [Bezirk] Potsdam) und dem gemeinsamen Kind ein Zimmer der elterlichen 2,5-Raum-Wohnung bewohnt. [Passage mit schutzwürdigen Informationen nicht wiedergegeben]

Da es bereits vor ihrer Eheschließung im Juni 1984 beträchtliche Spannungen im Zusammenleben mit ihren Eltern gab, hatte die Reiter erstmalig am 1. Januar 1979 in ihrer damaligen Arbeitsstelle, im VEB Geräte- und Regler-Werk Teltow, einen Antrag auf Zuweisung eigenen Wohnraumes gestellt. Anfang 1983 während ihrer Schwangerschaft wurde sie bei der zuständigen Kommunalen Wohnungsverwaltung vorstellig und ersuchte um Bearbeitung ihres Gesuches. Ihr aus Rostock stammender Ehemann, der sich seit 1981 in Potsdam aufhält und bis zu seiner Eheschließung im Ledigenwohnheim des Interhotels »Potsdam« – seiner ehemaligen Arbeitsstelle – wohnte, ist gegenwärtig immer noch polizeilich in Rostock gemeldet. Diese Anmeldung erhielt er aufrecht, um seine dortige AWG-Einraumwohnung eventuell zum Tausch anbieten zu können. Mehrmals annoncierte Tauschangebote schlugen jedoch fehl.

Kurz vor ihrer Heirat wandte sich die Reiter mit einer Eingabe an den Oberbürgermeister der Stadt Potsdam, um eine zügigere Bearbeitung ihres Wohnungsantrages zu erreichen. In der von Beauftragten des Oberbürgermeisters mit ihr geführten Aussprache wurde ihr nahegelegt, entweder die Wohnung in Rostock zu tauschen und zu versuchen, die AWG-Anteile von einer Potsdamer Genossenschaft übernehmen zu lassen oder mit der Familie nach Rostock zu ziehen. Das Ehepaar entschloss sich, in Potsdam zu bleiben und stellte deshalb im August 1984 an die AWG »Karl Marx« in Potsdam einen Antrag auf Mitgliedschaft.

Die Bearbeitung zog sich jedoch längere Zeit hin, sodass die Aufnahme erst Mitte Januar 1985 erfolgte. Als am 29. Januar 1985 aus Rostock an das Ehepaar die Mitteilung einging, dass es auf die dortige Wohnung keinen Anspruch mehr hätte, löste diese Nachricht bei beiden Ehegatten Ratlosigkeit aus und führte zu ernsthaften gegenseitigen Vorwürfen.

In dieser Situation fasste die Reiter den spontanen Entschluss zur Durchführung der dargelegten Handlung mit dem Ziel, ihrem Verlangen nach Veränderung ihrer derzeitigen Wohnverhältnisse besonderen Nachdruck zu verleihen.

Zur Persönlichkeitsentwicklung der Reiter wurde bekannt, dass sie gelernte Fachverkäuferin ist und von 1979 bis 1982 als Sachbearbeiterin in der Kaderabteilung des VEB Geräte- und Regler-Werk Teltow tätig war. Als FDJ-Sekretär leistete sie auf dieser Arbeitsstelle eine aktive gesellschaftliche Arbeit. In Beurteilungen wird ihr bescheinigt, eine umsichtige, gewissenhafte und selbstständige Arbeit durchzuführen.

[Passage mit schutzwürdigen Informationen nicht wiedergegeben]

Der 1. Sekretär der Bezirksleitung der SED, der Vorsitzende des Rates des Bezirkes und der Oberbürgermeister von Potsdam wurden über diese Ergebnisse informiert. Der Stadtrat für Wohnungswesen und der Bereichsleiter Wohnraumlenkung beim Rat der Stadt Potsdam wurden beauftragt, Maßnahmen zur kurzfristigen Lösung des Wohnungsproblems der Familie Reiter einzuleiten.

Vom MfS wird die Lösung dieses Problems unter Kontrolle gehalten.

  1. Zum nächsten Dokument Einnahmen Mindestumtausch, 28.1.–3.2.1985

    5. Februar 1985
    Information Nr. 53/85 über die Entwicklung der Einnahmen aus der Durchführung des verbindlichen Mindestumtausches für die Zeit vom 28. Januar 1985 bis 3. Februar 1985

  2. Zum vorherigen Dokument Einnahmen Mindestumtausch, 21.–27.1.1985

    31. Januar 1985
    Information Nr. 51/85 über die Entwicklung der Einnahmen aus der Durchführung des verbindlichen Mindestumtausches für die Zeit vom 21. Januar 1985 bis 27. Januar 1985