Ermittlungsverfahren gegen einen DDR-Bürger
[ohne Datum]
Information Nr. 236/85 über die bisherigen Ergebnisse der Untersuchung im Ermittlungsverfahren gegen den Bürger der DDR, Zeitz, Udo
[Faksimile vom Deckblatt zu Information 236/85]
Nach vorliegenden Hinweisen hat sich die Fraktionssprecherin der Partei »Die Grünen« im Bundestag der BRD, Hönes,1 in einem Brief an den Generalsekretär des ZK der SED und Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Genossen Erich Honecker,2 für die »Freilassung« eines in der DDR inhaftierten »Umweltschützers« eingesetzt.3
Bereits am 27. Mai 1985 war dazu durch das BRD-Nachrichtenmagazin »Der Spiegel« Nr. 22/85 eine entsprechende Veröffentlichung erfolgt.4
Eine ähnliche Publizierung erfolgte am 3. Juni 1985 durch das Fernsehen der BRD in der Sendung »Kontraste«.5
Die bisherigen Untersuchungen zu der in den vorgenannten Veröffentlichungen genannten Person haben ergeben:
Bei dem genannten DDR-Bürger handelt es sich um den Zeitz, Udo6 (30), wohnhaft 1296 Biesenthal, [Straße, Nr.], erlernter Beruf: Facharbeiter für Holztechnik, Klempner und Installateur, von 1981 bis 1983 Mitglied der LDPD.
Inspiriert durch eine nach der BRD übergesiedelte Person (seit dem Zeitpunkt der Übersiedlung dieser Person unterhielt Zeitz ständigen fernmündlichen sowie brieflichen Kontakt und stimmte sein gesamtes diesbezügliches Vorgehen mit ihr ab) beantragte Zeitz am 25. Januar 1984 beim Rat des Kreises Bernau, Abteilung Inneres, die Genehmigung zur Bildung einer »Gemeinschaft Progress«.
Als Zielstellung wurde vorgegeben, dadurch »die Lebensqualität der Bürger ständig verbessern, dem Umweltschutz mehr zur Geltung verhelfen zu wollen«.
Durch die Untersuchungsergebnisse wird zweifelsfrei bestätigt, dass die beantragte Bildung einer solchen »Gemeinschaft« ausschließlich dem Ziel dienen sollte, die Behörden der DDR zu provozieren.
Zu diesem Zweck hatte Zeitz mit dem oben genannten Bürger der BRD und einem weiteren Bürger der DDR – dessen strafrechtliche Verantwortlichkeit zurzeit geprüft wird – vereinbart, dass nach der von ihnen erwarteten Ablehnung des Antrages zur Bildung der »Gemeinschaft Progress« diese Entscheidung als Anlass zur Stellung von Übersiedlungsersuchen in die BRD genutzt werden sollte.
Nachdem der »Antrag« durch den Leiter der Abteilung Inneres beim Rat des Kreises Bernau am 21. März 1984 gegenüber Zeitz mündlich abgelehnt worden war, verbunden mit ausführlichen Erläuterungen, sich im Rahmen des Kulturbundes der DDR aktiv an Umweltschutz-Aktivitäten zu beteiligen, stellte Zeitz bei den Organen für Inneres des Kreises Bernau ein Ersuchen zwecks Übersiedlung nach der BRD. In der Folgezeit forderte er im Zusammenhang mit ihm diesbezüglich mehrfach geführter Aussprachen jedes Mal erneut seine Übersiedlung nach der BRD.
Am 24. Januar 1985 forderte er bei den Organen für Inneres erneut die Zulassung einer »Gemeinschaft Progress«. In einer Aussprache am 13. Februar 1985 wurde Zeitz durch den Leiter der Abteilung Inneres beim Rat des Bezirkes Frankfurt/Oder und dem Leiter der Abteilung Inneres beim Rat des Kreises Bernau die erneute Ablehnung des »Antrages« mitgeteilt.
Trotz der wiederholten Ablehnung der Gründung einer derartigen Organisation durch die zuständigen staatlichen Organe der DDR und des mehrfachen Hinweises, seine Aktivitäten zum Umweltschutz im Rahmen der Mitarbeit im Kulturbund der DDR zu entwickeln, versuchte Zeitz seit Anfang 1984, mehrere ihm bekannte Übersiedlungsersuchende zu gewinnen, sich der »Gemeinschaft Progress« anzuschließen. Wie vorliegende Aussagen bestätigen, teilte Zeitz diesen Personen mit, dass die Bildung der »Gemeinschaft Progress« der Sammlung von Übersiedlungsersuchenden und der gemeinsamen Durchführung von Aktivitäten zur Durchsetzung von Übersiedlungsersuchen dienen sollte.
Darüber hinaus gab er übersiedlungswilligen Personen »Ratschläge« zur inhaltlichen Ausgestaltung ihrer Ersuchen und bot sich als »Rechtsberater« an. Weiter forderte er Übersiedlungsersuchende zum hartnäckigen Beharren auf ihren Positionen gegenüber den staatlichen Organen auf.
Wie die Untersuchungen weiter ergaben, beauftragte Zeitz einen ihm bekannten Bürger der DDR mit der Wahrnehmung eines Treffs im Juli 1984 in der ČSSR mit dem eingangs genannten BRD-Bürger. Im Verlaufe dieser Zusammenkunft forderte der BRD-Bürger Zeitz auf, eine Liste von mindestens zwanzig Übersiedlungsersuchenden zu übermitteln, die er dem bayerischen Ministerpräsidenten Strauß7 übergeben wollte. Darüber hinaus beauftragte er den Zeitz zur Fortsetzung der Informationsübermittlung hinsichtlich der Übersiedlungsaktivitäten und der weiteren Handlungen zur Bildung der »Gemeinschaft Progress«.8
Im Ergebnis dieses Treffens übersandte Zeitz auftragsgemäß u. a. an den Bürger der BRD Durchschriften seiner Übersiedlungsersuchen sowie der Anträge auf Zulassung der »Gemeinschaft Progress« und die Personalien von sechs übersiedlungsersuchenden Bürgern der DDR mit dem Ziel, von der BRD aus Druck auf die zuständigen staatlichen Organe der DDR zur Übersiedlung dieser Personen zu veranlassen.9
Darüber hinaus hat Zeitz an den Bürger der BRD sämtliche Unterlagen im Zusammenhang mit der von ihm am 25. Mai 1984 beim Generalstaatsanwalt der DDR erstatteten Anzeige wegen fahrlässiger Körperverletzung seiner vierjährigen Tochter – angebliche Vergiftung durch das Pflanzenschutzmittel Dimilin10 – gegen einen Oberforstmeister des Staatlichen Forstwirtschaftsbetriebes Bernau und den Leiter für Wasserwirtschaft und Umweltschutz beim Rat des Kreises Bernau übersandt.
(Nach Feststellung der behandelnden Ärzte hatte die Tochter lediglich einen grippalen Infekt und befand sich vom 18. bis 22. Mai 1984 im Krankenhaus Eberswalde.)11
Im Verlaufe einer am 20. März 1985 mit ihm geführten Aussprache drohte Zeitz gegenüber Mitarbeitern der Abteilung Inneres an, zur Durchsetzung seines Übersiedlungsersuchens »ein Repertoire an Mitteln umzusetzen«. Er äußerte in diesem Zusammenhang weiter: »Sie werden spüren, dass ich mein Vorhaben durchsetze. Ich will den Mitteln nicht vorgreifen.«
Außerdem weigerte er sich im Verlaufe dieser Aussprache, wieder eine Arbeit aufzunehmen und brachte zum Ausdruck: »Ich bin nicht bereit, mit meiner Arbeitskraft diesen Staat zu unterstützen.«
Im Ergebnis der daraufhin geführten ersten Untersuchungen wurde gegen Zeitz am 2. April 1985 ein Ermittlungsverfahren wegen des dringenden Verdachts der Beeinträchtigung staatlicher oder gesellschaftlicher Tätigkeit gemäß § 214 StGB12 eingeleitet und Haftbefehl erlassen.
Ausgehend von den bisherigen Ergebnissen der Untersuchungen ist vorgesehen, das Ermittlungsverfahren zügig weiterzuführen, dabei insbesondere die Mitwirkung feindlicher Zentren, Kräfte und anderer Hintermänner in der BRD und deren damit verfolgte Zielstellung sowie der Aktivitäten des Zeitz zum Zusammenschluss weiterer feindlich-negativer Kräfte in der DDR weiter aufzuklären und das Verfahren zur Anklageerhebung an den Staatsanwalt zu übergeben.