Friedensdekade 1985
4. Dezember 1985
Information Nr. 480/85 über Verlauf und Ergebnisse der »Friedensdekade 1985« der evangelischen Kirchen in der DDR in der Zeit vom 10. bis 20. November 1985
Die zum sechsten Mal durchgeführte »Friedensdekade«1 der evangelischen Kirchen in der DDR stand 1985 unter dem Thema »Frieden wächst aus Gerechtigkeit«.
Die Vorbereitung und Gestaltung der »Friedensdekade« lag erneut in der Verantwortung der Kirchengemeinden, wobei überwiegend die inhaltlichen Orientierungen des Bundes der Evangelischen Kirchen (BEK) in der DDR in Form des von ihm herausgegebenen Materials die Grundlage bildeten.2
Bereits bei der Vorbereitung dieses Materials – dem staatlicherseits zugestimmt wurde – hatten politisch realistische kirchenleitende Kräfte des BEK ihren Einfluss geltend gemacht, um politische Zweideutigkeiten und das Verhältnis Staat – Kirche belastende Aussagen zu vermeiden sowie den kirchlichen Charakter der Veranstaltungen zur »Friedensdekade« stärker zu betonen.
Im Sinne dieser Einflussnahme ist auch die Aufforderung des Vorstandes der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen (KKL)3 in der DDR während der 101. Tagung der KKL am 8. und 9. November 19854 an alle kirchenleitenden Amtsträger zu werten, geeigneten Einfluss auf die Durchführung der »Friedensdekade 1985« auszuüben und keine Belastungen im Verhältnis Staat – Kirche zuzulassen.
(Über bedeutsame Vorhaben und Aktivitäten der evangelischen Kirchen der DDR in Vorbereitung der »Friedensdekade 1985« war vom MfS in der Information Nr. 455/85 vom 7. November 1985 berichtet worden.)
Die Gesamtheit der abgestimmten vorbeugend eingeleiteten und realisierten staatlichen Maßnahmen zur gezielten Einflussnahme auf kirchenleitende Personen und Gremien zur Verhinderung des politischen Missbrauchs der »Friedensdekade 1985« (u. a. Vielzahl von Gesprächen seitens Vertretern staatlicher Organe mit kirchlichen Personen auf allen Ebenen vor und auch während der »Friedensdekade«) haben wesentlich dazu beigetragen, dass der theologische und religiöse Inhalt bei Veranstaltungen dominierte und die Mehrzahl aller Veranstaltungen nicht zu offenen Angriffen gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung missbraucht wurde.
Den in den Gesprächen staatlicher Vertreter mit kirchenleitenden Personen vorgebrachten Forderungen und erteilten Auflagen wurde – mit Ausnahmen – entsprochen. Teilweise wurden von kirchenleitenden Kräften aus eigener Initiative Aktivitäten entwickelt, um vorbeugend auf die Verhinderung eines möglichen politischen Missbrauchs von Veranstaltungen in ihrem Verantwortungsbereich einzuwirken.
Bewährt hat sich das in Vorbereitung und Durchführung der »Friedensdekade 1985« von der Intensität und vom inhaltlichen Vorgehen weiter erhöhte Wirksamwerden gesellschaftlicher Kräfte und progressiver Theologen (wie z. B. Carl Ordnung/CDU5 und Professor Fink/Humboldt-Universität Berlin6). In einigen Fällen beendeten feindlich-negative Kräfte vorzeitig bestimmte von ihnen organisierte Veranstaltungen, um das Auftreten progressiver Kräfte zu unterbinden.
Bereits in der Vorbereitungsphase auf die »Friedensdekade« sowie in ihrem Verlauf wurde deutlich, dass sie in der Mehrheit der Kirchengemeinden im Vergleich zu den vorherigen »Friedensdekaden« einen geringeren Stellenwert im Rahmen des kirchlichen Lebens einnahm. In zahlreichen Kirchengemeinden gab es keinerlei besondere auf die »Friedensdekade« bezogene Veranstaltungen, sondern lediglich während der üblichen Gottesdienste Hinweise zu ihrem Stattfinden, zum Teil verbunden mit der Aufforderung, im Gebet stärker den Wunsch nach Frieden und Nächstenliebe zum Ausdruck zu bringen.
Eine gewisse territorial begrenzte Öffentlichkeitswirksamkeit wurde wie bereits in der Vergangenheit durch die Ausgestaltung von kirchlichen Schaukästen sowie das Anbringen von Plakaten bzw. Hinweisen auf Veranstaltungen der »Friedensdekade« erreicht, wobei in einigen Landgemeinden schriftliche Hinweise auch in Schaufenstern von Geschäften und in Dorfgaststätten angebracht worden waren.
In Einzelfällen fanden unter geringer Beteiligung »Gebetswege« oder »Gebetswanderungen« zwischen Kirchen statt (Halle); sie fanden keine Beachtung.
Die Gesamtzahl der Teilnehmer an den Veranstaltungen zur »Friedensdekade 1985« ging weiter deutlich zurück. Diese Entwicklung entsprach nach vorliegenden internen Hinweisen insgesamt nicht den kirchlichen Erwartungen und rief zum Teil erhebliche Resignation und Enttäuschung bei den Organisatoren hervor. (Letzteres traf auch auf eine Reihe hinlänglich bekannter Kräfte zu – u. a. Pfarrer Meckel/Vipperow7 –, deren intensive Vorbereitungsarbeiten wenig »Ergebnisse« brachten).
Relativ hohe Besucherzahlen (bis zu 800 Personen) wiesen mehrere Hauptveranstaltungen mit spezieller Thematik im Rahmen der »Friedensdekade« auf. Dabei handelt es sich überwiegend um Veranstaltungen und Veranstaltungsorte, die bereits in der Vergangenheit durch Aktivitäten feindlich-negativer Kräfte Anziehungspunkte waren. Aber auch hier konnten die Teilnehmerzahlen nicht wie im Vorjahr (über 1 000 Personen) erreicht werden. Das Ziel feindlich-negativer Kräfte, das zweite Wochenende der »Friedensdekade« zu einem Höhepunkt zu gestalten, wurde infolge abnehmender Besucherzahlen und Resonanz nicht erreicht.
Diese Entwicklung wurde wesentlich bestimmt durch die stärkere Theologisierung und kirchliche Ausrichtung der Veranstaltungen der »Friedensdekade«. Vor allem als politisch negativ bekannte jugendliche Teilnehmer äußerten ihren Unmut über diese Entwicklungstendenz und brachten in diesem Zusammenhang zum Ausdruck, die Kirche habe es im Gegensatz zu vergangenen Jahren »an der notwendigen Schärfe bei der Auseinandersetzung« mit gesellschaftlichen Problemen fehlen lassen.
Anlass vor allem des vorzeitigen Verlassens insbesondere von nicht religiös gebundenen jugendlichen Besuchern war das teilweise niedrige inhaltliche Niveau sowie die nicht vorhandene »Attraktivität« von Veranstaltungen.
Die Anzahl ökumenischer Gäste zur »Friedensdekade« war auch 1985 gering. Diese Personen traten realistisch auf. So sprach z. B. Archidiakon Nazarkin/UdSSR8 über das Engagement der Christen in der Sowjetunion für die Erhaltung des Friedens, während Pfarrer Kitaponda/Tansania9 die ökonomische Situation in seinem Land schilderte.
Für Bischof i. R. Kurt Scharf/Westberlin10 und den Sekretär des Britischen Kirchenrates Paul Oestreicher,11 die an Veranstaltungen zur »Friedensdekade 1985« in der DDR teilnehmen wollten, war staatlicherseits keine Einreisegenehmigung erteilt worden.
Eine geringe Anzahl ausländischer Bürger (Niederlande, BRD, Nicaragua, Kuba) und Bürger der BRD, die im Rahmen der sogenannten Partnerschaftsbeziehungen in die DDR einreisten, nahmen an einzelnen Veranstaltungen der »Friedensdekade« teil, entwickelten jedoch keine wesentlichen Aktivitäten. Zurzeit in der DDR lebende Bürger aus Kuba und Nicaragua traten positiv in Erscheinung.
Aktivitäten im Zusammenhang mit der »Friedensdekade« entwickelten die in der DDR akkreditierten Korrespondenten von Massenmedien der BRD, Röder12 (epd), Merseburger13 (ARD), Jennerjahn14 (DPA), Wichmann15 und Funk16 (ZDF). Die Vertreter von ARD und ZDF konzentrierten sich besonders auf Veranstaltungen in der Hauptstadt der DDR, Berlin, und fertigten umfangreiche Bild- und Tonaufnahmen, die zum Teil unmittelbar am gleichen Tage durch die westlichen elektronischen Medien ausgestrahlt wurden.
Nach dem MfS gesichert vorliegenden Hinweisen wirkte ein Teil dieser Korrespondenten eng mit hinlänglich bekannten Organisatoren von Veranstaltungen zur »Friedensdekade« zusammen, darunter auch mit Pfarrer Eppelmann.17
Zu beachten ist, dass entsprechend zentraler Festlegungen seitens des MfAA bei Zustimmung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR Anträge auf Arbeitserlaubnis für westliche Korrespondenten zurückgewiesen worden waren, jedoch von den genannten Korrespondenten unterlaufen wurden.
Die katholische Kirche in der DDR beteiligte sich auch 1985 nicht offiziell an der »Friedensdekade« der evangelischen Kirchen, jedoch war insgesamt, territorial unterschiedlich, 1985 wiederum eine stärkere Bereitschaft der katholischen Kirche erkennbar, gemeinsam mit der evangelischen Kirche wirksam zu werden, insbesondere mit der Tendenz gemeinsamer Gebete für die Erhaltung des Friedens und anderer ökumenischer Veranstaltungen. (Internen Hinweisen zufolge war durch das Katholische Bischöfliche Amt Magdeburg z. B. an die katholischen Geistlichen dieses Verantwortungsbereiches eine Orientierung gegeben worden, die auf die Möglichkeit einer differenzierten Teilnahme hinwies.)
Im Zeitraum der Eröffnung der »Friedensdekade 1985« fanden in einigen Bezirken der DDR traditionelle »Martinsfeiern« – zur Ehrung des Heiligen Martin von Tours18 und des Tauftages von Martin Luther19 – statt, die durch ihre hohe Teilnehmerzahl (in Erfurt ca. 8 000 Personen/im Vorjahr 12 000) öffentlichkeitswirksam wurde. Bezugspunkte zur »Friedensdekade« wurden nicht hergestellt.
Inhaltlich standen im Mittelpunkt der »Friedensdekade 1985«: Gottesdienste im Rahmen der normalen kirchlichen Veranstaltungen, Friedensgebete, Bittgottesdienste, Vortrags- und Gesprächsabende, Veranstaltungen zu Problemen der kirchlichen Friedensverantwortung und zu Fragen der Entwicklungsländer.
Relativ häufig waren Erörterungen aus theologischer Sicht zum Thema »Was können Christen für den Frieden tun«, verbunden mit Aufforderungen, sich für den Frieden einzusetzen, Gebete als christliches Friedenszeugnis unter Betonung der Hoffnungen und Wünsche für verantwortungsvolles Handeln der Politiker.
Während der »Friedensdekade 1984« verbreitet zum Ausdruck gebrachte Angst, Resignation und Pessimismus im Zusammenhang mit Friedensfragen traten nur in geringem Umfang in Erscheinung.
In einer großen Anzahl von Veranstaltungen wurden – meist stärker theologisch eingebunden – bekannte kirchliche pazifistische und neutralistische Standpunkte zu Fragen der Friedens-, Verteidigungs- und Sicherheitspolitik der DDR vertreten. Dabei bildeten die Inhaftierungen von Wehrdienstverweigerern,20 die dem für den 5.11.1985 erhaltenen Einberufungsbefehl nicht Folge leisteten einen Schwerpunkt. Sie wurden vor allem in die Fürbitten eingeschlossen; ein Teil der Kollekten soll ihrer Unterstützung bzw. der ihrer Familien dienen.
Weitere Aussagen bezogen sich auf den »Abbau von Feindbildern«, auf eine Ablehnung der »Erziehung zum Hass« und der vormilitärischen Ausbildung,21 Hervorhebung des Bausoldatendienstes22 als Beitrag zum Frieden, auf das Bekenntnis als Christ trotz eventueller Nachteile in der Gesellschaft u. a.m.
Demgegenüber wurden in zahlreichen Veranstaltungen positive und zustimmende Aussagen zur Friedenspolitik der Sowjetunion und der DDR getroffen. Mehrfach wurde eindeutig das SDI-Programm abgelehnt und als friedensgefährdend verurteilt.23
Zu beachten ist ein von 16 Teilnehmern einer Veranstaltung in Leipzig (Lukasgemeinde) unterschriebener, versandter und öffentlichkeitswirksam gemachter »Offener Brief«, gerichtet an den Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Erich Honecker,24 und den Bundeskanzler der BRD, Helmut Kohl,25 in dem das kirchliche Friedensverständnis propagiert wird und u. a. die Repräsentanten beider Staaten zu »eigener Initiative« aufgefordert werden, Wege der Abrüstung und Truppenreduzierung zu finden.26
Die Initiatoren dieses »Briefes« gehören zum Führungskern von im Sinne einer eigenständigen kirchlichen Friedensarbeit pseudopazifistischer Prägung agierenden Gruppen und Kräften (Wonneberger27).
Fragen des Umweltschutzes wurden in einer Reihe Veranstaltungen angesprochen, jedoch versachlicht und in allgemeiner Form mit der Aufforderung verbunden, sich selbst umweltfreundlicher zu verhalten. Damit erreichte die Thematik nicht die Bedeutsamkeit wie anlässlich der »Friedensdekade 1984«.
Entgegen den Orientierungen des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR und anderer kirchenleitender Gremien und Personen traten erneut reaktionäre kirchliche Kräfte im Rahmen der »Friedensdekade 1985« mit verleumderischen, offen vorgetragenen Angriffen gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung in der DDR und mit Einmischungsversuchen in innerstaatliche Angelegenheiten der DDR in Erscheinung bzw. ermöglichten anderen feindlich-negativen Kräften ein solches Auftreten.
Obwohl die durch feindlich-negative Inhalte geprägten Veranstaltungen im Vergleich zur Gesamtheit zahlenmäßig gering und nicht typisch für die »Friedensdekade 1985« waren, stellen sie einen erheblichen politischen Missbrauch derselben dar.
Insbesondere wurden im feindlich-negativen Sinne, zum Teil in mehreren Veranstaltungen, wirksam die Pfarrer Eppelmann (und Mitglieder des »Friedenskreises« der Samariterkirche Berlin28), Passauer29 und Pastorin Misselwitz30 (alle Berlin), die Pfarrer Tschiche/Samswegen/Bezirk Magdeburg,31 Wonneberger/Leipzig, Schilling/Braunsdorf/Bezirk Gera,32 Koch/Rudolstadt/Bezirk Gera,33 Pahnke/Borgsdorf/Bezirk Potsdam,34 Studentenpfarrer Vogel/Karl-Marx-Stadt,35 Kreisjugendwart Töpfer/Meiningen/Bezirk Suhl36 und Propst Falcke/Erfurt.37
Den Schwerpunkt feindlich-negativer Aktivitäten bildeten, wie bereits 1984, bestimmte Kirchengemeinden in der Hauptstadt der DDR, Berlin, vor allem die Samaritergemeinde, in der unter Leitung von Pfarrer Eppelmann fast täglich Veranstaltungen mit feindlich-negativer Aussage stattfanden, und die während der Friedensdekade eine Besucherzahl von insgesamt ca. 1 600 Personen erreichte, die Kirchengemeinde Alt-Pankow mit 900 Besuchern und die Auferstehungsgemeinde mit über 300 Besuchern.
Massiv feindlich trat erneut der hinlänglich bekannte Pfarrer Tschiche/Samswegen, Bezirk Magdeburg sowohl in Veranstaltungen in Berlin als auch in anderen Orten der DDR auf.
In einer Veranstaltung am 12. November 1985 in der Samariterkirche, die von Eppelmann geleitet wurde (ca. 90 Besucher), hielt Tschiche einen Vortrag, der massive Angriffe gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung beinhaltete (u. a. in der DDR herrsche eine Minderheit über eine Mehrheit; System der DDR bedeute Untergang; Forderungen nach »Änderung des Systems«, nach »Schaffung einer Bürgerbewegung, um die Verhältnisse von unten her demokratisch umzugestalten«). Tschiche wurde in seinen Aussagen durch Eppelmann unterstützt, indem dieser u. a. erklärte, in der DDR mache derjenige Karriere, der das richtige Parteibuch habe, und es gäbe viele Beispiele von Ungerechtigkeit in der DDR, die nur durch »Veränderung der Verhältnisse« beseitigt werden könnten.
Auch während einer Veranstaltung am 16. November 1985 im Gemeindehaus Rudolstadt (ca. 100 Besucher) trat Tschiche in gleicher Richtung auf, sprach u. a. über eine »Militarisierung des Ostens«, bezeichnete erneut das »System in der DDR als reformbedürftig« und traf die Aussage, in der NVA erfolge eine »Erziehung zum potenziellen Mörder«, verbunden mit der Forderung, dagegen etwas zu tun.
Propst Falcke, der in Veranstaltungen in den Bezirken Gera und Erfurt auftrat, forderte z. B. am 11. November 1985 vor ca. 550 Besuchern in der Reglerkirche Erfurt ein Umdenken über das Problem Krieg-Frieden und in diesem Zusammenhang »weniger Waffen im Lande«, »Möglichkeiten freier Meinungsäußerungen«, »Verzicht auf Zwangsmaßnahmen gegen Wehrdienstverweigerer«, »freizügigere Reisemöglichkeiten«.
Zusammenfassend dargestellt wurden von den erwähnten reaktionären und feindlich-negativen Kräften in Veranstaltungen im Rahmen der »Friedensdekade«, eingebettet in Predigten, Vorträgen, Darstellungen, Aufrufen, Liedern, Aufführungen und andere, insbesondere folgende politische Problemstellungen aufgeworfen und diskutiert:
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Zulassung blockübergreifender Aktivitäten38 (im Zusammenhang mit Fragen um Frieden und Abrüstung) Unterstellungen, die DDR und die Warschauer Vertragsstaaten39 unternehmen zu wenig bzw. ungenügend realitätsbezogene Vorstöße zur Erreichung von abrechenbaren Schritten zur Abrüstung.
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Gleichstellung des SDI-Programms der USA mit den Aktivitäten der Sowjetunion im Weltraum und Schlussfolgerung, die USA hätten keine andere Alternative als einen Präventivschlag.
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Forderung zur Unterstützung eines ökumenischen »Friedenskonzils« im Zusammenhang mit feindlich-negativen Aktivitäten (Unterschriftensammlung dafür während eines Gottesdienstes in Suhl, 80 Teilnehmer).
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Behauptung über angebliche Benachteiligung von Christen in der DDR in allen Lebensbereichen.
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Erklärung, in der DDR und in den Ländern des Warschauer Vertrages gäbe es »Menschenrechtsverletzungen«, würden »Andersdenkende« verfolgt.
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Aufruf zur Schaffung einer »Bürgerbewegung« in der DDR, um »grundsätzliche Veränderungen der Gesellschaft« herbeizuführen.
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Aufforderung zur Verweigerung der Übernahme von Verantwortung für die DDR.
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Aufforderung zur Verweigerung des Wehrdienstes; Propagierung des Dienstes als Bausoldat als »deutlicheres Friedenszeichen« sowie eines zivilen Wehrersatzdienstes (Sofd),40 »Recht auf Wehrdienstverweigerung«, Freilassung inhaftierter Wehrdienstverweigerer und Aufruf zur Solidarität mit ihnen.
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Aufruf, »Unrecht« in der DDR zu »bekämpfen«.
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Forderung nach »Meinungsfreiheit« in der DDR.
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Unterstellung des »Verfassungsbruchs« durch die DDR, wenn bei Ablehnungen von Reiseanträgen keine Gründe genannt werden, verbunden mit Forderungen nach »freien Reisemöglichkeiten«.
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Ablehnung grundsätzlicher Erziehungsziele der Volksbildung der DDR, insbesondere der »Erziehung zum Hass« und hinsichtlich der »Ausprägung von Feindbildern«, Ablehnung des Wehrunterrichts und Aufrufe, gegen staatliche Vorgaben zur Erziehung in den Kindergärten mit Eingaben vorzugehen.
Mehrfach wurde in Veranstaltungen, in denen hinlänglich bekannte feindlich-negative Kräfte wirksam wurden, aufgerufen, auf Zetteln »Menschenrechts- und Gesetzesverletzungen« in der DDR zu notieren, während der Veranstaltung abzugeben bzw. diese »Fälle« zu sammeln.
In einigen Veranstaltungen, insbesondere in Berlin, wurden Text- und Bildtafeln verwandt, auf denen die bezeichneten »Probleme« und »Forderungen« anschaulich dargestellt bzw. Karikaturen mit verleumderischem Inhalt vorgestellt wurden.
Die genannten reaktionären kirchlichen und anderen feindlich-negativen Kräfte waren in der Regel auch verantwortlich für die Organisierung von Schriftstellerlesungen, Auftritten von Liedermachern und Sängern sowie Aufführungen von Theaterstücken, Sketchen und Ähnliches mit pseudopazifistischen, neutralistischen und feindlich-negativen Aussagen. Dabei wurden wie in den vergangenen Jahren solche schriftstellerisch und künstlerisch tätigen Personen einbezogen, von denen bekannt war bzw. allgemein erwartet wurde, dass sie sich im genannten Sinne äußern würden, wie z. B. die schriftstellerisch tätigen Gabriele Eckart/Berlin,41 Lutz Rathenow/Berlin,42 Wilfried Linke/Schwerin,43 die Sänger bzw. Liedermacher Karl-Heinz Bomberg,44 Barbara Thalheim,45 Stephan Krawczyk46 (alle Berlin) und Ingo Barz/Rostock47 sowie Ralf Elsässer/Leipzig.48
Diese Personen nutzten die ihnen gebotenen Möglichkeiten der öffentlichkeitswirksamen Auftritte, um ihre politisch negativen Haltungen zu popularisieren. Diese Veranstaltungen erzielten – durch Aushänge, vorherige Bekanntgabe in der Kirche bzw. Mundpropaganda bekannt gemacht – verhältnismäßig hohe Besucherzahlen – überwiegend Jugendliche.
Darüber hinaus traten in zahlreichen Veranstaltungen Laiengruppen, die ausschließlich und wiederholt im Rahmen der evangelischen Kirchen tätig sind, mit Theaterstücken, Sketchen, Liedern und Ähnlichem auf, zum Teil inhaltlich ebenfalls mit pseudopazifistischen und offen negativen Aussagen.
Die Auftritte dieser Laiengruppen sowie auch einiger vorgenannter »Schriftsteller« und Liedermacher wurden teilweise als niveaulos, verworren und unverständlich eingeschätzt, sodass mehrere dieser Veranstaltungen keine oder geringe Resonanz fanden.
Im engen Zusammenwirken der zuständigen staatlichen Organe wurde jeweils sofort auf Handlungen des politischen Missbrauchs im Zusammenhang mit der »Friedensdekade 1985«, auf Angriffe gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung sowie auf die Verletzung zwischen Staat und Kirche konkret getroffener Festlegungen reagiert und es wurden differenzierte Maßnahmen eingeleitet, um vorbeugend weitere politisch negative Aktivitäten zu verhindern und die Einhaltung des kirchlichen Charakters der Veranstaltungen zu gewährleisten. Die verantwortlichen kirchlichen Amtsträger zeigten sich in der Mehrzahl und stärker als in den Vorjahren einsichtig und aufgeschlossen gegenüber diesem Vorgehen, sodass im Ergebnis dieser aktuellen Einflussnahme eine Reihe von Veränderungen durchgesetzt werden konnte. Damit hat sich dieses Vorgehen als zweckmäßig und wirksam erwiesen.
Durch das MfS wurde im Rahmen der Informationstätigkeit an leitende Partei- und Staatsfunktionäre auf Bezirksebene umfassend über Inhalt und Verlauf der »Friedensdekade 1985« berichtet, zum Teil verbunden mit weitergehenden Vorschlägen über die Erhöhung der Wirksamkeit gesellschaftlicher Kräfte zur weiteren Zurückdrängung der von reaktionären und feindlich-negativen Kräften ausgehenden Aktivitäten zum politischen Missbrauch der Kirchen in der DDR.
Es wird empfohlen, auf der Grundlage der in Vorbereitung auf den XI. Parteitag der SED49 gegebenen Orientierung die allseitige politische Einflussnahme auf die kirchenleitenden Kräfte und Gremien der evangelischen Kirchen offensiv, kontinuierlich und zielstrebig fortzusetzen und die Auseinandersetzung mit reaktionären und feindlich-negativen Kräften bei gleichzeitiger Stärkung loyaler und realistischer Personen und Gruppen besonders unter Einbeziehung weiterer staatlicher und gesellschaftlicher Kräfte zu forcieren.
Im Sinne dieser Orientierung und zur Gewährleistung des Weiteren einheitlichen Vorgehens auf diesem Gebiet sollte der Staatssekretär für Kirchenfragen der DDR, Genosse Gysi,50 Verlauf, Inhalt und Ergebnisse der »Friedensdekade 1985« in einer Dienstberatung mit den Stellvertretern der Räte der Bezirke für Inneres auswerten.
Die Information ist wegen Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.