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Frühjahrssynoden Mecklenburg, Sachsen, Thüringen und Görlitz

12. April 1985
Information Nr. 149/85 über die Frühjahrssynoden der Evangelisch-Lutherischen Landeskirchen Mecklenburgs und Sachsens, der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen und der Evangelischen Kirche des Görlitzer Kirchengebietes im Zeitraum vom 21. bis 27. März 1985

Vom 21. bis 27. März 1985 wurden die Synodaltagungen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen (21. bis 24.3.1985, Eisenach), Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs (21. bis 24.3.1985, Schwerin), Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens (23. bis 27.3.1985, Dresden), Evangelischen Kirche des Görlitzer Kirchengebietes (22. bis 25.3.1985, Görlitz) durchgeführt.

An allen Synodaltagungen nahmen als Gäste Vertreter der »Partnerschaftskirchen« aus der BRD teil. Außerdem waren auf den Tagungen, mit Ausnahme der Synode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen, in der DDR akkreditierte BRD-Korrespondenten zeitweilig anwesend.

Der Inhalt der Berichte der Kirchenleitungen, die dazu geführten Diskussionen und die gefassten Beschlüsse stimmten im Wesentlichen mit den auf der Herbstsynode des Bundes des Evangelischen Kirchen in der DDR gegebenen Orientierungen überein.1

Während sich die Synodaltagung der Evangelischen Kirche des Görlitzer Kirchengebietes, bedingt durch die Situation in der Landeskirche, vorrangig mit innerkirchlichen Problemen beschäftigte, wurden auf den Synodaltagungen der anderen drei Landeskirchen eine Reihe Bezugspunkte zu aktuellen politischen und das Verhältnis Staat – Kirche berührenden Fragen hergestellt.

Im Mittelpunkt standen dabei Stellungnahmen und Standpunkte zum 40. Jahrestag des Sieges über den Hitlerfaschismus und der Befreiung des deutschen Volkes,2 zum Gespräch des Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Genossen Erich Honecker,3 mit Bischof Dr. Hempel4 vom 11. Februar 1985,5 verbunden mit Erwartungshaltungen hinsichtlich der Führung von sogenannten Sachgesprächen zu Problemen der Volksbildung sowie zum Umweltschutz.

Besonders die im Bericht des Bischofs Dr. Leich/Eisenach6 und im Vortrag des Kirchenpräsidenten Domsch/Dresden7 getroffenen Aussagen zum 40. Jahrestag der Befreiung enthielten im Vergleich zu dem vom Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR (BEK) und der »Evangelischen Kirche in Deutschland« (»EKD«) verfassten gemeinsamen »Wort zum Frieden«8 eindeutigere, politisch realistische Standpunkte.

Einige Synodale der Thüringer Landeskirche, darunter dem MfS hinlänglich bekannte kirchliche Amtsträger, versuchten, die positive Bewertung dieses Jubiläums durch zum Teil offene Angriffe gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung zu entkräften. Dieses Vorgehen richtete sich zugleich gegen die Person des Bischofs, der als möglicher Nachfolger für das Amt des Vorsitzenden der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR (KKL)9 gilt.

(Auf der Sitzung der KKL am 8./9. März 1985 hatte Bischof Dr. Hempel angekündigt, im Jahre 1986 nicht mehr für diese Funktion kandidieren zu wollen.)10

Das Gespräch des Vorsitzenden des Staatsrats der DDR, Genossen Erich Honecker, mit Bischof Dr. Hempel wurde auf allen Synodaltagungen positiv bewertet.

Nur in einzelnen Fällen wurde der »Nutzeffekt« dieses Gespräches für die evangelischen Kirchen angezweifelt. In diesem Zusammenhang wurde in Fortsetzung von bereits auf den Herbstsynoden des Jahres 1984 geführten Diskussionen erneut auf Erscheinungen der »Benachteiligung von Christen« in der schulischen und beruflichen Entwicklung verwiesen und wiederum die Forderung nach einem Grundsatzgespräch mit dem Ministerium für Volksbildung erhoben.

Probleme des Umweltschutzes wurden auf allen Synodaltagungen behandelt. Besonders breiten Raum nahm diese Problematik auf der Synode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs ein. Die Diskussionen beinhalteten sowohl Anerkennung durchgeführter staatlicher Maßnahmen auf diesem Gebiet als auch Zweifel an einer langanhaltenden Wirksamkeit derartiger Maßnahmen. Zu dieser Thematik erfolgte Eingaben an die Synode und ein diesbezüglicher Beschluss zielen auf die Durchführung weiterer Umweltaktivitäten an der kirchlichen Basis ab. Erneut ist festzustellen, dass hinlänglich bekannte reaktionäre kirchliche Kräfte, vor allem in sogenannten Friedenskreisen agierende Personen, versuchten, über Eingaben und Anträge an die Synoden Druck auf die Kirchenleitungen auszuüben und ihre feindlich-negativen Positionen sowie entsprechende Forderungen in Beschlüssen der Synoden durchzusetzen.

Auf allen Synodaltagungen erfolgte die Wahl von Mitgliedern der 5. Legislaturperiode der Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR (BEK – Konstituierung im Zeitraum vom 31. Januar bis 2. Februar 1986) und der 7. Legislaturperiode der Generalsynode der Vereinigten Evangelischen Kirchen in der DDR (VELK – Konstituierung im Zeitraum vom 13. Juni bis 16. Juni 1985).

An der Einschätzung der gewählten Synodalen wird gegenwärtig gearbeitet.

Die 2. Tagung der VII. Synode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen wurde als geschlossene Sitzung durchgeführt.

Als Gäste nahmen drei Vertreter der Evangelischen Landeskirche in Württemberg/BRD teil.

Im Mittelpunkt der Synodaltagung standen der Bericht von Landesbischof Dr. Leich/Eisenach und dessen Erörterung im Plenum der Synode. Des Weiteren wurden innerkirchliche und theologische Probleme behandelt.

Bischof Dr. Leich ging in seinem Bericht ausführlich auf die Bedeutung des 40. Jahrestages der Befreiung vom Faschismus ein. Er hob hervor, dass dieser Gedenktag auch durch die Kirche unter dem Leitmotiv »Befreiung« begangen werden müsse. Hinter Deutungen des 8. Mai 1985 als Kapitulation, als nationale Katastrophe könne sich nur eine »totale Fehleinschätzung der Ziele des Nationalsozialismus oder – schlimmer noch – ein getarntes Eintreten dafür verbergen«.

Auf die Entwicklung der Ereignisse unmittelbar nach dem Sieg über den Hitlerfaschismus eingehend unterstrich Bischof Dr. Leich, der 8. Mai 1945 habe mit der Beseitigung der nationalsozialistischen Herrschaft auch das ganze Ausmaß der Verbrechen, Grausamkeiten und Entwürdigung aufgedeckt, das im Namen des deutschen Volkes begangen worden sei. Jede Beschönigung und Entschärfung verbaue in diesem Zusammenhang das Erkennen der Wahrheit.

Wörtlich erklärte er: »Das Geschehen nach dem 8. Mai [19]45 mit seinen Härten an deutschen Menschen braucht nicht verschwiegen zu werden, wenn man sich deutlich macht, dass die Sieger als Menschen kamen, denen unendliches Leid zugefügt worden war … Weder das Ausmaß der Leiden noch die darin enthaltene Unmenschlichkeit sind vergleichbar und ebenso wenig kann das Verhältnis von Ursache und Folge umgekehrt werden. Krieg ist einschließlich der Vollstreckung des Sieges eine Geißel der Menschheit. Wer ihn auslöst, der hat Gesetzmäßigkeiten freigesetzt, die Last und Leiden nach sich ziehen.«

Für den Verkündigungsauftrag der Kirche – so Bischof Dr. Leich weiter – sei es »wichtig und wesentlich, politisch gesellschaftliche und soziale Fragestellungen im Zusammenhang mit dem 8. Mai 1945 zur Kenntnis und ernst zu nehmen«. Die Ablehnung, ein erneutes Schuldbekenntnis der Kirche in den Mittelpunkt der kirchlichen Gedenkveranstaltungen zu stellen, dürfe »nicht zum Vergessen und zur Verharmlosung der damit zusammenhängenden Ereignisse führen«.

Ausdrücklich unterstrich Bischof Dr. Leich, seine diesbezüglichen Ausführungen seien als »Orientierungshilfen für die inhaltliche Gestaltung von kirchlichen Gedenkveranstaltungen oder Gottesdiensten« zu dieser Thematik gedacht.

Er empfahl den anwesenden Synodalen, allen Einladungen zu staatlichen und gesellschaftlichen Gedenkveranstaltungen anlässlich des 8. Mai 1985 nachzukommen.

Bezug nehmend auf das Gespräch zwischen dem Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Genossen Erich Honecker, und Bischof Dr. Hempel vom 11.2.1985 unterstützte er den Standpunkt Hempels, dass alle offenen Fragen hinter der Aufgabe, den Frieden zu erhalten, zurückzutreten hätten.

Im zweiten Teil seines Berichtes behandelte Bischof Dr. Leich ausschließlich theologische Fragen.

In der sich anschließenden Diskussion zum Bericht traten insbesondere die Superintendenten Große/Saalfeld,11 Hoffmann/Gera,12 und Küfner/Scheibe-Alsbach,13 [Bezirk] Suhl sowie Pfarrer Modersohn/Hoheneiche,14 [Bezirk] Gera und der Synodale Ahnemüller/Gerstungen,15 [Bezirk] Erfurt mit zum Teil offen feindlichen Auffassungen und Standpunkten in Erscheinung.

Der hinlänglich bekannte Superintendent Große/Saalfeld behauptete, in der DDR würde ein Umbruch gefeiert, der im Grunde keiner sei. Viele Menschen hätten sich aus ihrer Schuld unter dem Naziregime herausgeredet, indem sie auf ein Pflichtgefühl verwiesen hätten.

Gleiches vollziehe sich derzeit bei vielen Soldaten der NVA und Mitgliedern der SED, die das Pflichtgefühl in den Vordergrund stellten und das Gewissen verdrängten. Es sei das Ziel jeder Regierung, die Seele im Menschen auszuschalten, um die Menschen gleichschalten zu können. Derartige Auswirkungen zeigten sich auch in der FDJ, in den Schulen und Betrieben. Er sei tief deprimiert über den Wortbruch der Regierungen beider deutscher Staaten, die das nach Kriegsende ausgesprochene Bekenntnis, dass nie ein Deutscher wieder eine Waffe anfassen werde, verletzt hätten. Von beiden Seiten würden Feindbilder aufgebaut und wer nicht bereit sei, eine Waffe in die Hand zu nehmen, werde als Feind behandelt. Nur die Wehrdienstverweigerer in der DDR16 hätten die richtigen Lehren aus der Vergangenheit gezogen. Die Kirche müsse sich mehr für sie einsetzen.

Superintendent Küfner/ Scheibe-Alsbach unterstellte, dass die Vergangenheit weder durch die beiden deutschen Staaten noch von anderer Seite genügend aufgearbeitet worden sei. In der DDR habe man das Problem verdrängt. Es sei aber vorhanden, wie Gespräche mit älteren Menschen zeigten. Nach 1945 hätten viele Tausende Thüringer Bürger im KZ Buchenwald eine elende Haft verbüßen müssen. Er habe selbst Häftlinge, die nach 1945 im KZ Buchenwald interniert waren, beerdigt und ihre persönlichen Lebensschicksale kennengelernt. Küfner behauptete demagogisch, im KZ Buchenwald seien nach 1945 mehr Menschen umgebracht worden bzw. umgekommen, als vor 1945.17 (Seine Ausführungen wurden durch Synodalen mit Beifall bedacht.)

Superintendent Hoffmann/Gera äußerte, Befreiung bedeute, dass etwas da sein müsse, was wirklich frei wäre. Dies sei jedoch in der DDR nicht der Fall. Man habe nur eine Diktatur durch eine etwas freiere Diktatur ausgetauscht. Für viele Menschen in Deutschland habe es eine persönliche Katastrophe gegeben. In diesem Zusammenhang sei das Wort »Katastrophe« für den 8. Mai 1945 nicht fehl am Platze.

Pfarrer Modersohn/Hoheneiche vertrat die Auffassung, die Ausführungen des Bischofs zum 8. Mai 1945 seien unzulänglich.

Möglichkeiten des Neuanfangs seien weder vom Staat noch von der Kirche richtig wahrgenommen worden. Auch in der jetzigen Zeit werde die Menschenwürde in der DDR nicht so geachtet, wie es nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges sein müsste.

Der Synodale Ahnemüller/Gerstungen erklärte, dass es für ihn noch kein Ende des Krieges gebe. Er wohne im Sperrgebiet, sehe auf beiden Seiten der Grenze Soldaten und Panzerfahrzeuge und fühle sich stets wie in einem Niemandsland zwischen den Fronten. Die SS sei während der Nazizeit genauso kaltblütig vorgegangen wie heute teilweise die Sicherheitsorgane der DDR.

Diese Äußerungen blieben auf der Synodaltagung unwidersprochen.

Nur Bischof Dr. Leich entgegnete, dass die größte Gefahr im Menschen selbst läge.

Im Ergebnis der Plenardebatte erfolgte die Wahl von sieben Mitgliedern der 5. Legislaturperiode der Synode des BEK in der DDR und der 7. Legislaturperiode der Generalsynode der VELK in der DDR.

Die durch das Mitglied einer feindlich-negativen Gruppierung (»Montagskreis«/Weimar)18 in einer Eingabe vorgebrachte Beschwerde über fehlende Unterstützung durch die Kirchenleitung wurde an den Landeskirchenrat übergeben.

Der Antrag des Arbeitskreises »Umweltschutz«/Eisenach,19 in der Kirchenzeitung »Glaube und Heimat« einfache Lebensformen zu publizieren, einen Umweltschutzbeauftragten der Landeskirche einzusetzen und das Anliegen des Umweltschutzes in allen Synodaltagungen zu behandeln, wurde vertagt. Weitere Eingaben befassten sich mit innerkirchlichen Problemen.

An der 7. Tagung der X. ordentlichen Synode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs nahmen als Gäste aus der BRD Vertreter der Nordelbisch Evangelisch-Lutherischen Kirche und der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern sowie zeitweilig die in der DDR akkreditierten Korrespondenten Röder,20 Baum21 und Jennerjahn22 teil. (Internen Hinweisen zufolge wurde der Wunsch des FAZ-Korrespondenten Baum,23 ein Interview mit Bischof Stier24 zu führen, von diesem abgelehnt.)

Im Mittelpunkt der Synode standen

  • der Bericht der Kirchenleitung und des Präsidiums der Landessynode,

  • ein Vortrag des Leiters des kirchlichen Forschungsheimes Wittenberg,25 Dr. Gensichen26 zum Thema »Gottes Schöpfung – unsere Verantwortung«.

Im Bericht der Kirchenleitung wurden – neben vielfältigen theologischen und innerkirchlichen Problemen – auch Bezugspunkte zu aktuellen gesellschaftspolitischen Fragen hergestellt. Im Gegensatz zum Bericht an die Thüringer Synode stellten die Aussagen im Bericht der Mecklenburgischen Landeskirche zum 40. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus nur eine Wiederholung der im »Wort zum Frieden« enthaltenen Standpunkte des BEK und der »EKD« dar. In diesem Zusammenhang wurden die bekannten Positionen einer sogenannten eigenständigen kirchlichen Friedensarbeit bekräftigt und die pseudopazifistischen Aktivitäten im Rahmen der »Friedensdekade 1984«27 gewürdigt. Außerdem wurden Forderungen erhoben nach rechtlicher Fixierung des Grundsatzes der »Gleichachtung, Gleichberechtigung und Chancengleichheit für Christen« sowie nach Zustandekommen eines Gespräches der KKL mit dem Ministerium für Volksbildung.

In der Aussprache zum Bericht vertraten insbesondere die Synodalen Prof. Dr. Kiesow28 und Dr. Kuske29 (beide aus Rostock) politisch realistische Auffassungen. Sie schätzten ein, dass die im »Wort zum Frieden« enthaltene Wertung des 8. Mai 1945 und das Schuldbekenntnis der Kirchen unklar geblieben seien. Daraus abgeleitet forderten sie »klare Stellungnahmen zur historischen Wahrheit«, damit dieser Tag als Jahrestag der Befreiung in das Bewusstsein der Christen eingehe.

Der Synodale Dr. Seite/Neubrandenburg30 stellte in seinem Beitrag Vergleiche zwischen den Gesprächen des Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Genossen Erich Honecker, mit der KKL am 6. März 197831 und mit Bischof Dr. Hempel am 11. Februar 1985 an. Er betonte, aus dem jüngsten Gespräch keinen praktischen Nutzen für die Kirchen erkannt zu haben. Unter Bezugnahme auf die im Bericht der Kirchenleitung enthaltene Forderung nach Gesprächen mit dem Ministerium für Volksbildung forderte er »den Realitäten entsprechende Betrachtungsweisen«. Die kommunistische Erziehung sei »eine tragende Säule des Staates«, und darüber Sachgespräche mit der Volksbildung führen zu wollen, sei illusorisch.

Hinsichtlich des Anliegens ehemaliger DDR-Bürger auf Rückkehr in die DDR habe ihn sehr betroffen gemacht, dass diese Personen als Verräter bezeichnet würden. Sie hätten ein Recht darauf, wieder zurückzukehren. (Beachtenswert sind in diesem Zusammenhang auch Feststellungen des Synodalen Vogt/Rostock32 über angeblich bestehende Schwierigkeiten für Christen, sich in die Gesellschaftsordnung der DDR zu integrieren.)

Einen besonderen Stellenwert erhielt die Erörterung von Problemen der Ökologie und des Umweltschutzes durch einen Vortrag des Leiters des kirchlichen Forschungsheimes Wittenberg, Dr. Gensichen, zum Thema »Gottes Schöpfung – unsere Verantwortung«.

Im Vortrag und in der sich anschließenden Diskussion wurde erneut das Bestreben sichtbar, die bekannten Grundsätze für eine sogenannte kirchliche Umweltverantwortung zu erörtern und diesbezügliche Orientierungen für die Arbeit in den Kirchengemeinden zu geben. Trotz Hervorhebung und teilweise Anerkennung der »Bemühungen des Staates« auf dem Gebiet des Umweltschutzes wurden in der Diskussion – beeinflusst durch den Vortrag – auch mehrfach Zweifel an den Erfolgsaussichten staatlicher Umweltschutzmaßnahmen geäußert und Kritik an der »unzureichenden« Berichterstattung der Massenmedien zu Problemen des Umweltschutzes geübt.

Die Synode wählte vier Mitglieder für die 5. Legislaturperiode der Synode des BEK in der DDR und sechs Mitglieder für die 7. Legislaturperiode der Generalsynode der VELK in der DDR.

Die im Ergebnis der Synodaltagung gefassten Beschlüsse enthalten keine offenen Angriffe gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung. Dennoch gelang es den hinlänglich bekannten Kräften wie Pfarrer Meckel/Vipperow33 und Heiko Lietz/Güstrow,34 einige in Eingaben an die Synode initiierte politisch negative Standpunkte und Forderungen bei der Beschlussfassung durchzusetzen. So enthält der Beschluss der Synode zum 40. Jahrestag der Befreiung außer Empfehlungen zur Durchführung von Erinnerungs- und Bußgottesdiensten sowie Gemeindenachmittagen auch die Orientierung, sich inhaltlich u. a. mit Problemen des Umgangs mit Feindbildern zu beschäftigen sowie sich auseinanderzusetzen mit Fragen der »Anpassung und der Angst« als »lähmende Faktoren des Denkens und Handelns«.

Im Beschluss zum Umweltschutz wird den Kirchengemeinden und kirchlichen Umweltgruppen empfohlen, solche Aktionen durchzuführen wie »mobil ohne Auto«,35 Gemeindewandertage, Baumpflanzaktionen und Ähnliches.

An der 22. Landesynode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens nahmen als Gäste aus der BRD kirchenleitende Personen der Evangelisch-Lutherischen Landeskirchen Braunschweigs und Hannovers teil. Zeitweilig anwesend waren die BRD-Korrespondenten Röder und Jennerjahn.

Schwerpunkte der Tagesordnung bildeten der Vortrag »Der Weg unserer Kirche seit 1945 – Erfahrungen und Auftrag« (Referent: Kirchenpräsident Domsch/Dresden), der Bericht des Diakonischen Werkes – Innere Mission und Hilfswerk, sowie innerkirchliche und theologische Fragen.

Kirchenpräsident Domsch wertete seinen Vortrag als Versuch der »Aufarbeitung der Geschichte nach 1945« aus kirchlicher Sicht.

Seine politischen Bezugspunkte zur Entwicklung nach dem 8. Mai 1945 sind im Wesentlichen als politisch positiv einzuschätzen. Ausgehend von seiner Feststellung, die meisten Menschen hätten aufgrund persönlicher Erfahrungen und Leiden übersehen, dass das Kriegsende zugleich die »Befreiung von nationalsozialistischer Gewaltherrschaft« gewesen sei, »eine Befreiung, wozu das deutsche Volk nicht fähig gewesen war«, erklärte Domsch wörtlich: »Mit der Verfassung der DDR ist die absolute Vorherrschaft der SED rechtlich fixiert. Jedes Anzweifeln dieser Tatsache hieße, die Machtfrage zu stellen. Das kann nicht Sache der Kirche sein. Die Kirche kann nicht prägend und bestimmend auf Gesellschaft und Politik einwirken. Wenn wir uns zu politischen Fragen äußern, müssen wir uns immer wieder neu vergegenwärtigen, dass wir es ohne Anspruch auf Macht tun und dass uns politische Mittel zur Durchsetzung verwehrt sind. Die Vertreter der Kirchen wollen sich beim Neuaufbau beteiligen. Die Trennung zwischen Staat und Kirche und die Eigenständigkeit der Kirche muss bleiben. Das waren von der Kirche, aber auch von der Besatzungsmacht, von den Parteien und von den Regierungen anerkannte Grundsätze.«

Wie immer entstünden die Probleme bei der praktischen Anwendung dieser Grundsätze.

In seinen Ausführungen verwies er auch auf die »besondere Gemeinschaft« zwischen den evangelischen Kirchen in beiden deutschen Staaten, die er als »wertvolles Gut« für die DDR-Kirchen bezeichnete.

In der Diskussion unterstützten mehrere Synodale, darunter Superintendent Küttler/Plauen36 und Rektor Vogel/Krummenhennersdorf,37 die realistischen Aussagen des Vortrages.

Demgegenüber traten vor allem der hinlänglich bekannte Pfarrer Albani/Frauenstein38 sowie Pfarrer Pilz/Mittelherwigsdorf39 mit politisch-negativen Beiträgen in Erscheinung.

Albani erklärte, dass man sich mit der Herrschaft des Marxismus nicht bedingungslos abfinden müsse. Kritisch bemerkte er zum Vortrag von Kirchenpräsident Domsch, darin Stellungnahmen zu den Problemen der Bausoldaten,40 Kriegsdienstverweigerer und »Friedensgruppen« vermisst zu haben.

Pfarrer Pilz unterstellte, der Führungsanspruch der SED bewirke, dass nur ein Sechstel der Bevölkerung für leitende Positionen im Staat und in der Wirtschaft infrage komme und dadurch viele fähige Menschen von leitenden Positionen ausgeschlossen würden.

Gleichzeitig forderte er Auskunft darüber, warum kirchliche Amtsträger während der staatlichen Gedenkveranstaltung am 13.2.1985 in Dresden auf der Tribüne gestanden hätten.41

In seinen Schlussbemerkungen erwiderte Kirchenpräsident Domsch, die Teilnahme an der Kundgebung in Dresden am 13.2.1985 sei im kleinen Kollegium des Landeskirchenamtes eingehend beraten worden. Man sei davon ausgegangen, durch die Teilnahme »Solidarität mit denen zu zeigen, die im politischen Raum stehen«. Es sei kein Präzedenzfall, denn der 13.2.1985 in Dresden sei etwas Besonderes gewesen. Die kirchliche Basis habe darauf positiv reagiert.

Der Bericht der Inneren Mission lag den Synodalen schriftlich vor, nur der Abschnitt »Suchtgefährdende Diakonie« wurde durch Oberkirchenrat Merchel/Dresden42 vorgetragen. Darin wird festgestellt, dass der Missbrauch von Alkohol, Rauschgift und Nikotin in allen Ländern zugenommen hat. Als Ursachen wurden u. a. »Zunahme einseitiger Leistungsorientiertheit, Reizüberflutung und Vereinsamung« genannt. Es wurde orientiert, in allen Kirchengemeinden und auf kirchlichen Tagungen über die Zusammenhänge der Alkoholabhängigkeit zu informieren, Vorurteile abzubauen und »den Suchtkranken den Weg in ihre Heimatgemeinden« zu weisen. In der Diskussion zu diesem Bericht wurde die Unterstützung des Staates für die Diakonie gewürdigt.

Von Bedeutung ist die einstimmige Annahme einiger von zuständigen Ausschüssen eingebrachter Anträge durch die Synode.

In dem bestätigten Antrag des »Bildungs- und Erziehungsausschusses« wird das Landeskirchenamt gebeten, mit maßgeblichen Vertretern des Staates »Probleme zu besprechen, die sich für Kinder, Jugendliche und deren Eltern aus der Praxis des Bildungswesens ergeben«.

Es seien »handhabbare Richtlinien« notwendig, um »nicht den Eindruck entstehen zu lassen, dass christliche Eltern von der Arbeit in Elternaktivs und -beiräten ausgeschlossen werden«.

Der von dem hinlänglich bekannten Synodalen Weigel/Königswalde43 (Leiter des »Friedensseminars« Königswalde)44 begründete Antrag des »Sozialethischen Ausschusses« beinhaltet den Auftrag an das Landeskirchenamt, der KKL den Wunsch der Landessynode mitzuteilen, im Rahmen des vom Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Genossen Honecker, in Aussicht gestellten Sachgespräches Fragen des Wehrdienstes und der vormilitärischen Ausbildung45 anzusprechen. Dazu gehörten u. a. der stärkere Einsatz von Bausoldaten in zivilen und sozialen Objekten sowie die Einrichtung eines Wehrersatzdienstes im sozialen Bereich46 für diejenigen, die aus Glaubens- und Gewissensgründen den Dienst in der Armee überhaupt ablehnen.

Heftige Auseinandersetzungen löste die Eingabe wehrpflichtiger Jugendlicher einer Basisgruppe der Christlichen Friedenskonferenz Königswartha aus, in der sie sich für die Möglichkeit und Notwendigkeit des Wehrdienstes mit der Waffe durch Christen ausgesprochen hatten. In einem von Pfarrer Albani unterbreiteten Antrag für ein Antwortschreiben des Sozialethischen Ausschusses an diese Basisgruppe wurde dazu der Synode die Formulierung vorgeschlagen: »Wir respektieren die Haltung derjenigen unserer Brüder, die sich bewusst für den Wehrdienst mit der Waffe entscheiden. In dem Wehrdienst ohne Waffe sehen wir die Chance zu einem deutlichen Zeichen des Friedenswillens.«

Gegen diese Formulierung traten die Synodalen Superintendent Kreß/Bautzen47 und Nebe/Tharandt48 auf.

Bischof Hempel/Dresden empfahl ebenfalls, den Antrag an den Ausschuss zurückzuverweisen.

Im Ergebnis der kontroversen Diskussion wurde der Antrag Pfarrer Albanis mit dem Zusatz »Aber Zeichen des Friedenswillens junger Christen müssen auch unter uns in ihrer Gegensätzlichkeit ausgehalten werden«, angenommen.

Abschließend wählte die Landessynode zehn Mitglieder für die 1. Legislaturperiode der Generalsynode der VELK.

An der 4. Tagung der IX. Provinzialsynode der Evangelischen Kirche des Görlitzer Kirchengebietes nahmen u. a. Vertreter der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg/BRD und der Evangelischen Kirche im Rheinland/BRD sowie der epd-Korrespondent Röder teil.

Im Mittelpunkt der Synode standen der Vortrag zum Thema »Weiterer Weg der Görlitzer Kirche« und die Diskussion zum Thema »Lebensstil der Kirche« und zum Dokument des Ausschusses »Friedensverantwortung« mit dem Titel »Katalog möglicher kleiner Schritte zum Frieden«.

Entsprechend den im Vortrag von Oberkirchenrat Winde/Görlitz zum Thema »Weiterer Weg der Görlitzer Kirche« enthaltenen Vorschlägen und im Ergebnis der dazu geführten Aussprache beschloss die Synode den Fortbestand der Evangelischen Kirche des Görlitzer Kirchengebietes sowie die vorbereitenden Maßnahmen für die Neuwahl eines Bischofs anstelle des aus gesundheitlichen Gründen zurückgetretenen Bischofs Wollstadt/Görlitz.49 (Vorschläge für die Neubesetzung dieses Amtes sollen bis zur 2. Sitzung des Bischofswahlkollegiums am 1. Juni 1985 unterbreitet werden.)

Die Diskussion zum Thema »Lebensstil der Kirche« befasste sich mit Fragen der Lebenshaltung von Christen und mit Problemen des Umweltschutzes. Dabei kam es zu keinen Angriffen gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung in der DDR. Oberkonsistorialrat Fichtner/Görlitz50 bat die Synode, an zuständige staatliche Organe die Bitte nach umfassenderen Informationen zu Umweltfragen heranzutragen. Superintendent Mader/Kunnerwitz51 informierte darüber, dass sich die Kreissynode Reichenbach, [Kreis] Görlitz[-Land] mit Umweltfragen, insbesondere im Zusammenhang mit der Erschließung des Raumes Deutsch-Ossig, [Kreis] Görlitz[-Land] für den Bergbau befasst habe.

Dabei warf er die Frage auf, ob es sich lohne, wegen des Abbaus von Braunkohle Menschen zu entwurzeln.

Konsistorialrat Ernst/Gersdorf52 sprach die Erwartung aus, dass im Ergebnis des Gesprächs des Staatsratsvorsitzenden, Genossen Honecker, mit Bischof Dr. Hempel »baldigst das Sachgespräch zu Problemen der Volksbildung stattfindet«.

Die staatlichen Maßnahmen zur Neuregelung der Renten für Diakonissen wurden begrüßt und als bedeutende finanzielle Entlastung der Kirchen gewertet.53

Die Synode verabschiedete im Ergebnis der Diskussion das Dokument »Katalog möglicher kleiner Schritte zum Frieden«. Es enthält die bekannten Positionen einer sogenannten eigenständigen kirchlichen Friedensarbeit und orientiert auf »praktische Schritte« eines friedlichen Nebeneinanderlebens von Christen. Politisch negative Aussagen sind in diesem Dokument nicht enthalten.

Für die 5. Legislaturperiode der Synode des BEK wurden zwei Mitglieder gewählt.

Die Information ist wegen Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.

  1. Zum nächsten Dokument Auskunft über Eberhard Cohrs

    15. April 1985
    Auskunft über Cohrs, Eberhard [K 3/74]

  2. Zum vorherigen Dokument Verlautbarung der Berliner Bischofskonferenz

    11. April 1985
    Information Nr. 150/85 über eine Verlautbarung der »Berliner Bischofskonferenz« zu »Beziehungen zu staatlichen Organen sowie zu politischen und gesellschaftlichen Organisationen«, gerichtet an die katholischen Geistlichen in der DDR