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Geplante feindliche Aktivitäten zum Jahrestag des Mauerbaus

9. August 1985
Hinweise über von Westberlin aus geplante und vorbereitete Provokationen gegen die DDR anlässlich des 24. Jahrestages der Errichtung des antifaschistischen Schutzwalles – 13. August 1985 [K 1/156]

Nach vorliegenden internen und offiziellen Hinweisen plant die »Internationale Gesellschaft für Menschenrechte e.V. – Arbeitsgruppe Berlin«1 im engen Zusammenwirken mit der »Jungen Union«,2 der »Arbeitsgemeinschaft 13. August e.V.«3 und rechtsextremistischen Kräften in Westberlin erneut öffentlichkeitswirksame Provokationen anlässlich des 13. August 1985, hauptsächlich im Westberliner Grenzvorfeld und an den Grenzübergangsstellen.

Wie bereits in den Vorjahren konzentrieren sich die geplanten Aktivitäten vor allem auf Feier- und Gedenkstunden, auf das Errichten von Informationsständen, verbunden mit der Verteilung von Hetzmaterialien, auf Mahnwachen und auf das Ablegen von Blumengebinden an den bekannten »Gedenkstätten« in Westberlin.

Bisher wurden folgende Einzelheiten bekannt:

12. August 1985

Mahnwachen und Aufstellen von Kreuzen und Kerzen an den Grenzübergangsstellen Invalidenstraße, Chausseestraße und Friedrich-/Zimmerstraße.

Aktionskundgebung rechtsextremistischer Kräfte der BRD und Westberlins auf dem Franz-Mehring-Platz (als Teilnehmer wurden u. a. Gerhard Frey4 sowie der britische Historiker David Irving5 angekündigt).

Verbreitung von Flugblättern der »IGfM« in der Westberliner Innenstadt.

Pressekonferenz (10.00 Uhr) der »Arbeitsgemeinschaft 13. August e.V.« im »Haus am Checkpoint Charlie« an der Grenzübergangsstelle Friedrich-/Zimmerstraße (es sollen fünf fahnenflüchtige ehemalige Angehörige der Grenztruppen der DDR auftreten).

13. August 1985

Kundgebung am »Mahnmal« auf dem Westberliner Steinplatz, organisiert von der »Gemeinschaft ehemaliger politischer Häftlinge – Vereinigung der Opfer des Stalinismus e.V.« (VOS).6 Die Eröffnung erfolgt durch den Bundespressereferenten der »VOS«, Ruberg.7

Als Redner sind vorgesehen der Bezirksbürgermeister von Charlottenburg Ubbelohde8 sowie die Fraktionsvorsitzenden des Senats Führer9 (CDU), Thomas10 (SPD) und Lüder11 (FDP). Beginn der Kundgebung 10.00 Uhr.

Kranzniederlegungen erfolgen durch Innensenator Lummer12 und den stellvertretenden Präsidenten des Westberliner Abgeordnetenhauses Longolius13 (SPD).

Ganztägige Mahnwache des US-Bürgers Joseph Werner14 einschließlich Verteilung von schwarzen Papierfähnchen an der Grenzübergangsstelle Friedrich-/Zimmerstraße. (Genannter US-Bürger tritt bereits seit vier Jahren zu diesem Zeitpunkt mit analogen Aktionen in Erscheinung.)

Flugblattaktion der »IGfM« in der Nähe bzw. auf der Aussichtsplattform Bernauer Straße (Westberlin).

Diskussionsveranstaltung der Westberliner CDU unter dem Motto »13. August – Mauerbau« im Sitzungssaal des Rathauses des Westberliner Stadtbezirkes Wedding.

Informationsstand der »lGfM« am Brandenburger Tor (Vorgesehen ist die Verteilung von Hetzmaterialien).

  1. Zum nächsten Dokument Provokation an der Berliner Mauer nahe Görlitzer Bahndamm

    12. August 1985
    Information Nr. 346/85 über eine Provokation an der Staatsgrenze der DDR zu Westberlin im Grenzabschnitt Görlitzer Bahndamm am 9. August 1985
  2. Zum vorherigen Dokument Grenzüberschreitender Verkehr, II.Quartal 1985 (2)

    9. August 1985
    Information Nr. 337/85 über den Umfang des grenzüberschreitenden Verkehrs im II. Quartal 1985

  1. Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte e.V. (IGFM) war 1972 als Gesellschaft für Menschenrechte in der Bundesrepublik gegründet worden, um auf die Verletzung der Menschenrechte in kommunistischen Staaten aufmerksam zu machen. Das MfS betrachtete die IGFM als Feindorganisation. Doch auch in der Bundesrepublik erfuhr sie Kritik: Ihr einseitiger Einsatz für die Menschenrechte in kommunistischen Staaten, während sie etwa das Apartheid-Regime in Südafrika nur sehr zurückhaltend kritisierte und mit dem Verweis auf die Gewalttätigkeit von Anti-Apartheid-Aktivisten deren Engagement delegitimierte, brachten der IGFM Rechtsextremismus- und Rassismusvorwürfe ein. Vgl. Wüst, Jürgen: Menschenrechtsarbeit im Zwielicht. Zwischen Staatssicherheit und Antifaschismus. Bonn 1999.

  2. Die »Junge Union« wurde 1947 als Jugendorganisation von CDU und CSU gegründet.

  3. Die 1962 nach dem Mauerbau von Rainer Hildebrandt in Westberlin gegründete Arbeitsgemeinschaft dokumentiert die Geschichte der Maueropfer und Fluchtversuche und unterhält dazu als Trägerverein das »Haus am Checkpoint Charlie« als Museum und Dokumentationsstelle.

  4. Gerhard Frey, Jg. 1933, rechtsextremer Verleger und Politiker, ab 1959 Herausgeber und Chefredakteur der »Deutschen Soldaten-Zeitung«, 1963 Umbenennung des Wochenblattes in »Deutsche National-Zeitung«, die Zeitung wurde zur wichtigsten Zeitung der bundesdeutschen Rechtsextremen, 1971 Gründung eines rechtsextremen Buchverlages und weiterer Unternehmen, 1987 Gründung der rechtsextremen Partei DVU, die Frey bis 2009 als Vorsitzender führte.

  5. David Irving, Jg. 1938, britischer rechtsextremer Publizist, ab 1959 publizistische Tätigkeit zu zeithistorischen Themen u. a. mit Kolumnen für die »Neue Illustrierte«, ab 1963 Buchautor von Fachbüchern über den Zweiten Weltkrieg und den Nationalsozialismus, seine zweibändige Hitler-Biografie (1977 und 1983 veröffentlicht) erfuhr große Aufmerksamkeit, aber auch harsche Kritik von professionellen Historikern, Irving verbreitete im Laufe der 1980er-Jahre zunehmend den NS verharmlosende und den Holocaust leugnende Thesen, spätestens seit den 1990er-Jahren fest in der internationalen rechtsextremen Szene verankert, mehrere Gerichtsverfahren und Verurteilungen in verschiedenen Ländern u. a. wegen Holocaust-Leugnung, NS-Verherrlichung und Verunglimpfung Verstorbener.

  6. Die Vereinigung der Opfer des Stalinismus (VOS) wurde 1950 in Westberlin gegründet. Sie betreut vormals in sowjetischen Lagern und Haftanstalten inhaftierte sowie kriegsgefangene Deutsche und setzt sich für die Aufarbeitung der diktatorischen Herrschaft primär in der DDR ein.

  7. Günter Ruberg, Jg. 1928, Journalist, 1953 vom MfS aus Westberlin entführt und 1954 in Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) wegen »Boykotthetze« lebenslänglich verurteilt, 1953–64 Zuchthaus in Bautzen, 1964 Entlassung in den Westen, später Mitarbeit im Pressedienst »tarantelpress«, ab 1964 Engagement im VOS e.V., später Bundespressereferent des VOS, 1986 Ausschluss aus dem VOS.

  8. Baldur Ubbelohde, Jg. 1929, Architekt und CDU-Politiker, 1985–89 Bezirksbürgermeister von Berlin-Charlottenburg, zuvor CDU-Fraktionsvorsitzender in der Bezirksverordneten-Versammlung von Charlottenburg, ab 1990 Vorsitzender des Berlin-Brandenburger Verbandes und Vizepräsident des Bundesverbandes der vereidigten Sachverständigen.

  9. Reinhard Führer, Jg. 1945, CDU-Politiker, 1965–72 Kostenstellenleiter in der Elektroindustrie, 1973 Studium und Abschluss als Technischer Betriebswirt, ab 1974 Technischer Betriebswirt und später Geschäftsführer von Sozialeinrichtungen, 1975–2001 Mitglied des Abgeordnetenhauses Berlin für die CDU, 1999–2001 Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses.

  10. Bodo Thomas, Jg. 1932, SPD-Politiker, Lehre und Arbeit als Rohrleger, Studium Rechtswissenschaften und Geschichte an der FU Berlin, später Angestellter bei der AOK, 1971–89 Mitglied des Abgeordnetenhauses Berlin für die SPD, als Dozent in der Erwachsenenbildung tätig.

  11. Wolfgang Lüder, Jg. 1937, FDP-Politiker und Jurist, ab 1970 Assessor bei der Staatsanwaltschaft Berlin, später Richter am Landgericht Berlin, ab 1981 Rechtsanwalt, 1971–79 Landesvorsitzender der FDP in Berlin, 1975–81 Wirtschaftssenator von Berlin, 1979 kurze Zeit Mitglied des Berliner Abgeordnetenhaues für die FDP, 1987–95 Bundestagsabgeordneter für die FDP.

  12. Heinrich Lummer, Jg. 1932, CDU-Politiker, 1962–64 Assistent am Institut für Politikwissenschaft der FU Berlin, 1964–65 Leitung des Besucherdienstes im Bundeshaus Berlin, 1965–69 Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, 1967–86 Mitglied des Abgeordnetenhauses Berlin für die CDU, dabei 1969–80 CDU-Fraktionsvorsitzender und 1980–81 Präsident des Abgeordnetenhauses, 1981–86 Innensenator von Berlin, 1987–98 Bundestagsabgeordneter für die CDU.

  13. Alexander Longolius, Jg. 1935, SPD-Politiker, 1958–67 Lehrer, 1967–70 Leiter des Besucherdienstes im Bundeshaus Berlin, 1970–73 Leiter der Volkshochschule Berlin-Schöneberg, ab 1973 Referatsleiter beim Bevollmächtigten der Bundesregierung in Berlin, 1975–95 Mitglied des Abgeordnetenhauses Berlin für die SPD, 1981 kurzzeitig SPD-Fraktionsvorsitzender im Abgeordnetenhaus, 1981–89 Vizepräsident des Berliner Abgeordnetenhauses.

  14. Joseph Werner, der US-Amerikaner protestierte ab 1981 jedes Jahr anlässlich des Jahrestages des Baus der Berliner Mauer am Checkpoint Charlie mit einer ganztätigen Mahnwache, dabei verteilte er jedes Jahr schwarze Fähnchen und Zettel mit Gebeten an Passanten. Weitere Angaben zur Person konnten nicht ermittelt werden.