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Katholischer Jugendkongress 17.–19.5.1985 in Ostberlin

23. Mai 1985
Information Nr. 221/85 über die Durchführung des »Katholischen Jugendkongresses« vom 17. bis 19. Mai 1985 in der Hauptstadt der DDR, Berlin

Im Zeitraum vom 17. bis 19. Mai 1985 wurde in der Hauptstadt der DDR, Berlin, der erste »Katholische Jugendkongress« in der DDR durchgeführt, nachdem bis 1961 Großveranstaltungen für junge Katholiken stets im Rahmen der »gesamtdeutschen« Katholikentage eingeordnet waren. Der Kongress stand unter dem Motto: »Christus – unsere Zukunft«.

Mit der Veranstaltung wurde der Forderung des Papstes gefolgt, das »UNO-Jahr der Jugend 1985«1 in der kirchlichen Arbeit zu berücksichtigen und »mit Leben zu erfüllen«.

Die mit dem »Jugendkongress« verbundene Zielstellung wurde im Januar 1985 in einem »Hirtenwort« der Berliner Bischofskonferenz (BBK) formuliert (vgl. Information des MfS Nr. 54/85 vom 13. Februar 1985).

Nach einer internen Äußerung von Bischof Huhn2 (Görlitz) in Vorbereitung der Veranstaltung sei es Anliegen der katholischen Kirche, mit dem »Jugendkongress« den genauen Standort der katholischen Jugend im Raum der DDR zu bestimmen und davon ableitend die weiteren Schlussfolgerungen für die Jugendarbeit der Gemeinden zu ziehen, größere Aktivitäten in der Studenten- und Gemeindearbeit zu erreichen.

Am »Jugendkongress« nahmen insgesamt 1 000 Jugendliche beiderlei Geschlechts im Alter von 16 bis 20 Jahren teil – ein Delegierter je katholische Gemeinde.

Alle katholischen Bischöfe und Jugendseelsorger aus der DDR wirkten in Vorbereitung und Durchführung der Veranstaltungen mit.

Als Gäste der evangelischen Kirchen in der DDR nahmen am »Jugendkongress« Landesjugendpfarrer Schwochow3 (Potsdam) und Stadtjugendpfarrer Hülsemann4 (Berlin) – beide Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg – sowie zwei Jugendliche evangelischen Glaubens teil. Bereits ausgesprochene Einladungen für Vertreter von Bischofskonferenzen benachbarter Staaten wurden in Reaktion auf staatlicherseits erhobene Einwände zurückgenommen (Kardinal Kuharić/Jugoslawien,5 der am 17. Mai 1985 bei Kardinal Meisner6 weilte, nahm nicht an Veranstaltungen des »Jugendkongresses« teil).7

Zu allen Veranstaltungen des »Jugendkongresses«, außer dem öffentlichen Abschlussgottesdienst, waren keine Korrespondenten zugelassen. Streng intern wurde dazu bekannt, dass die Leitung der katholischen Kirche in der DDR interessierte Korrespondenten westlicher Medien (u. a. KNA, »Die Welt«) darauf hinwies, diese Festlegungen nicht zu unterlaufen. Vorliegenden Informationen zufolge filmte ein ZDF-Team im Zusammenhang mit dem Eröffnungs- und Abschlussgottesdienst den Ein- und Auszug der jugendlichen Teilnehmer an der Kathedrale.

Insgesamt ist einzuschätzen, dass die katholische Kirche in der DDR mit der Vorbereitung und Durchführung des »Katholischen Jugendkongresses« der staatlichen Erwartungshaltung entsprochen hat und sich an die Festlegungen der Tagung der Berliner Bischofskonferenz vom März 1985 (vgl. Information des MfS Nr. 117/85 vom 25. März 1985) zu inhaltlichen und organisatorischen Fragen hielt.

Die Beratungen und Diskussionen verliefen sachlich, offen und mit kritischen Ansätzen sowohl zu bestimmten gesellschaftlichen Problemen als auch zum Verhältnis der katholischen Kirche zu den jungen Christen.

Aussagen feindlich-negativen Inhalts wurden nicht bekannt. Die in den Beratungsgruppen anwesenden kirchenleitenden Amtsträger waren bestrebt, die Diskussion stets auf die Themenstellungen »Stärkung des katholischen Glaubens unter den sozialistischen Verhältnissen in der DDR« und »Einheit der katholischen Kirche« zu lenken.

Alle Veranstaltungen fanden ausschließlich in kirchlichen Räumen statt und trugen mit Ausnahme des öffentlichen Abschlussgottesdienstes internen Charakter. Dadurch wurde der »Jugendkongress« nicht öffentlichkeitswirksam; es kam zu keinen Vorkommnissen.

Die Leitung der katholischen Kirche verzichtete auch auf die vorgesehene Tonübertragung des Abschlussgottesdienstes zum Hof der Kathedrale – intern wurde dazu bekannt, dass man damit den zum gleichen Zeitpunkt stattfindenden Auftritt des Alexandrow-Ensembles8 auf dem Platz der Akademie berücksichtigte.

Zu allen Veranstaltungen wurden kirchliche Ordnungskräfte eingesetzt, die eine gewissenhafte Einlasskontrolle (nach Teilnehmerkarte) vornahmen und insgesamt disziplinierend und ordnend auf die Teilnehmer und die Durchführung der Veranstaltungen einwirkten.

Von den Organisatoren wurde die festgelegte Zahl der Delegierten maximal ausgenutzt, jedoch nicht überschritten. Die Kongressteilnehmer führten in der Öffentlichkeit keine Sichtelemente und Symbole mit sich.

Durch das Berliner Ordinariat wurde am 19. Mai 1985 eine offizielle Pressemitteilung über die Durchführung des »Katholischen Jugendkongresses« herausgegeben.

Zum Verlauf des »Jugendkongresses« wurde dem MfS streng intern bekannt:

Den Eröffnungsgottesdienst am 17. Mai 1985 in der Zeit von 19.30 bis 20.45 Uhr hielt der für die Jugendarbeit zuständige Bischof Huhn (Görlitz). In einem Grußwort würdigte er in Anwesenheit von Kardinal Meisner dessen zehnjährige Bischofsweihe. Seine Predigt und die verlesene Botschaft von Papst Johannes Paul II.9 an die Konferenzteilnehmer enthielten ausschließlich Aussagen theologischen und innerkirchlichen Charakters.

(Der Wortlaut der Botschaft des Papstes – er erinnert darin an das »UNO-Jahr der Jugend« und übermittelt den apostolischen Segen – liegt dem MfS im Wortlaut vor.)

Der zweite Beratungstag bildete den Schwerpunkt des Kongresses und beinhaltet thematische Diskussionen in insgesamt fünf Beratungsgruppen.

Die Durchführung dieser Veranstaltungen erfolgte in Räumlichkeiten von verschiedenen katholischen Kirchengemeinden.

Zu den Themenbereichen »Der junge Christ und die Gemeinde« (Referent: Prof. Dr. Friemel,10 Priesterseminar Erfurt; Vertreter der BBK: Weihbischof Weinhold,11 Dresden) und »Freizeit – Engagement« (Referent: Frau Ulrich,12 katholischer Laie/Berlin; Vertreter der BBK: Bischof Wanke,13 Erfurt) wurden auf der Grundlage vorhandener Erfahrungen und Erkenntnisse der Teilnehmer vorwiegend religiöse und kirchliche Problemstellungen diskutiert.

Wiederholt wurden Forderungen nach größerer Unterstützung seitens der verantwortlichen Seelsorger für die Jugendarbeit erhoben.

Zum Themenbereich »Partnerschaft, Freundschaft, Ehe« (Referent: Prof. Dr. Ernst,14 Priesterseminar Erfurt; Vertreter der BBK: Weihbischof Hubrich,15 Magdeburg) äußerten die Anwesenden Standpunkte, die überwiegend mit den Grundauffassungen der sozialistischen Ethik und Moral übereinstimmen. Es wurde ferner Verständnis für die Haltung des katholischen Klerus bezogen u. a. auf Probleme der Schwangerschaftsunterbrechung und des außerehelichen Zusammenlebens entgegengebracht. Gleichzeitig wurde darauf verwiesen, dass man sich in der Praxis diesen Problemen oft »hilflos ausgeliefert« sehe. Auch hier erwarte man vom zuständigen Gemeindepfarrer mehr »praktische Lebenshilfe«.

In den Beratungsgruppen »Beruf und Arbeit« (Referenten: Pfarrer Nowak,16 Priesterseminar Erfurt17 und Herr Haase,18 katholischer Laie, Magdeburg; Vertreter der BBK: Bischof Huhn/Görlitz) und »Zeugnis in der Öffentlichkeit« (Referent: Prof. Dr. Feiereis,19 Priesterseminar Erfurt; Vertreter der BBK: Weihbischof Werbs,20 Schwerin) offenbarten sich widersprüchliche Auffassungen und Unklarheiten der Jugendlichen bezogen auf die Haltung von Christen im täglichen Leben.

Nach Meinung vieler Delegierter würde sich das »Christsein« in der sozialistischen Gesellschaft der DDR immer zwischen den beiden Polen »Anpassung« oder »Anderssein« bewegen. Diesen Widerspruch positiv aufzulösen, erfordere, sich ständig den kirchlichen und gesellschaftlichen Aufgaben zu stellen, ohne zu resignieren. Hilfe bei der Bewältigung derartiger Probleme könne man durch ein vorbildliches Auftreten als Christ im Berufsleben finden.

Verwiesen wurde ferner darauf, dass sich die jungen Katholiken auch im Zusammenhang mit Fragen und Problemen der Volksbildung, des Wehrunterrichts21 und des Wehrdienstes22 mit den »Ansprüchen« des sozialistischen Staates konfrontiert sähen. Zu diesen Fragen, Problemen, möglichen Konflikten und Widersprüchen gebe es jedoch keine Patentlösungen.

Es wurde darauf hingewiesen: Wer sich in diesen Fragen nicht anzupassen verstehe, habe im weiteren Leben mit Schwierigkeiten zu rechnen. Auch in diesem Zusammenhang wurde von den Geistlichen gefordert, den jungen Christen noch mehr mit Rat und Tat beizustehen.

Nach Abschluss der Gruppenberatungen fanden sich alle Kongressteilnehmer in der Corpus-Christi-Kirche, Stadtbezirk Berlin-Prenzlauer Berg, zu einer »Stunde der Kirche« zusammen. In Anwesenheit aller Bischöfe wurden nochmals interessierende Fragen aus den Beratungsgruppen aufgegriffen und diskutiert. Es kam zu keinen abweichenden Auffassungen. Der »Stunde der Kirche« folgte in der Zeit von 20.00 bis gegen 22.00 Uhr das vorgesehene Abendgebet (rein religiösen Charakters).

Der öffentliche Abschlussgottesdienst wurde am Sonntag, den 19. Mai 1985, in der Zeit von 10.00 bis 12.00 Uhr in der St. Hedwigs-Kathedrale durchgeführt. Daran nahmen ca. 1 200 Personen teil.

Kardinal Meisner appellierte in seiner Predigt an die Jugendlichen, am katholischen Glauben festzuhalten, nicht mit »zwei Köpfen, zwei Herzen oder zwei Zungen zu leben, sondern als aufrichtige Christen zu entscheiden[«].23 Man solle, auch wenn es schwer sei, »zu den Ideologien mit ihren Idolen« Nein sagen. Vorbilder seien darin Thomas Morus24 und die Geschwister Scholl25 (die für ihre Überzeugung ihr Leben gaben). In diesem Sinne wertete Meisner den »Katholischen Jugendkongress« als »ermutigendes Zeugnis des katholischen Glaubens«.

Kardinal Meisner wies in seiner Predigt auf den Besuch des Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Genossen Erich Honecker,26 beim Papst hin (wurde mit Beifall von den Anwesenden aufgenommen). Er äußerte die Hoffnung, dass sich dieser Besuch vor allem für die Jugendlichen positiv auswirken werde.27

(Der Wortlaut der Predigt wurde bereits übermittelt.)

Die Information ist wegen Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.

  1. Zum nächsten Dokument Einnahmen Mindestumtausch, 13.–19.5.1985

    23. Mai 1985
    Information Nr. 222/85 über die Entwicklung der Einnahmen aus der Durchführung des verbindlichen Mindestumtausches für die Zeit vom 13. Mai 1985 bis 19. Mai 1985

  2. Zum vorherigen Dokument Reaktion der Bevölkerung auf FDJ-Parlament und Pfingsttreffen

    21. Mai 1985
    Hinweise über Reaktionen der Bevölkerung der DDR auf das XII. Parlament der Freien Deutschen Jugend und die Pfingsttreffen der Jugend in den Bezirken [O/144]