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Konferenz der Evangelischen-Methodistischen Kirche in der DDR

29. Juni 1985
Information Nr. 267/85 über die turnusmäßige Konferenz der Evangelisch-methodistischen Kirche in der DDR (EmK)

In der Zeit vom 12. bis 16. Juni 1985 fand in der »Auferstehungskirche« in Ellefeld, Kreis Auerbach, Bezirk Karl-Marx-Stadt die turnusmäßige Konferenz der EmK in der DDR unter dem Thema »… so sind wir viele ein Leib« statt.

An der Konferenz nahmen ca. 260 Delegierte (Pastoren und Laien) aus allen Bezirken der DDR teil.

Als Gäste waren kirchliche Amtsträger aus Großbritannien, Österreich, der Schweiz, Finnland, der BRD, Westberlin, der VR Polen und der ČSSR anwesend.

Im Mittelpunkt der Konferenz der EmK standen im Wesentlichen innerkirchliche Fragen. Umfassender als zu zurückliegenden derartigen Tagungen wurden aktuelle gesellschaftspolitische Bezugspunkte insbesondere zur Problematik der Erhaltung des Friedens sowie des Umweltbewusstseins und -schutzes hergestellt und diskutiert.

Deutlicher wurden Bestrebungen auf realistischen Positionen stehender Kräfte sichtbar, die EmK als »Kirche im Sozialismus«1 weiter zu profilieren und eine Beeinträchtigung des Verhältnisses Staat – Kirche zu vermeiden.

Im Verlaufe der Konferenz waren ferner, wie bereits im Jahre 1984, Bemühungen zu erkennen, die gesamte kirchliche Arbeit, vor allem aber die Jugendarbeit zu aktivieren.

Zum Verlauf der Konferenz liegen dem MfS streng vertraulich folgende Hinweise vor:

Die Eröffnungspredigt von Bischof Härtel/Dresden2 trug ausschließlich religiösen Charakter.

Im Referat zum Thema »… so sind wir viele ein Leib«, vorgetragen von Pastor Uhlmann/Plauen3, wurde auf eine Verbesserung der praktischen Beziehungen zwischen kirchenleitenden Kräften und Gemeindemitgliedern orientiert.

In diesem Zusammenhang wurde hervorgehoben, eine Verbesserung des Verhältnisses zwischen kirchenleitenden Kräften und Gemeindemitgliedern sei nicht durch Unterordnung, sondern durch »stärkere Beachtung ihrer Individualität« zu erreichen. Eine besondere Bedeutung habe dabei die Organisationsform der Gruppe in der Ortsgemeinde, da sich in ihr für den Einzelnen die Möglichkeit biete, seine Scheu abzulegen, über Nöte und Erfahrungen zu sprechen und ihn bewegende Fragen zu stellen. Die Gruppenarbeit sei Voraussetzung dafür, »wieder gesprächsfähig im Alltag zu werden«.

Im Referat wurde umfassend auf Probleme der Jugendarbeit in der EmK eingegangen, wobei an die ältere Generation die Aufforderung erging, dem sich gegenwärtig »schneller vollziehenden Umwälzungsprozess von Verhaltensnormen, Leitbildern und Wertvorstellungen« verstärkt Rechnung zu tragen und die Arbeit mit der Jugend innerhalb der Kirche voranzutreiben. Dabei wurde hervorgehoben, dass es gerade die Jugend sei, die sich den aktuellen »großen Lebensfragen der Menschheit« verpflichtet fühle, denn sie »hat die Friedensfrage als die eine, alles andere überragende Fragestellung begriffen und ist bis zum persönlichen Opfer bereit, dafür Kraft, Zeit und auch die eigene Existenz einzubringen.«

Ihre »christliehe Existenz« ist für viele Jugendliche untrennbar mit »aktiver Friedensbemühung und gesellschaftlichem Engagement« verbunden.

In ihren Bemühungen fühle sich die Jugend aber sowohl durch kirchenleitende Mitarbeiter als auch von der Gemeinde alleingelassen. Diesen Zustand gelte es im Bereich der EmK zu überwinden.

Das gleiche Engagement, wie in der Friedensfrage, so wurde im Referat festgestellt, bringe die Jugend Problemen der »Umweltzerstörung und des Umweltschutzes« entgegen. Sie suche leidenschaftlich nach Wegen, wie der immer stärker werdenden Belastung der Umwelt etwas entgegenzustellen sei. In diesem Zusammenhang komme es zu Anfragen an unseren Lebensstil, an unser Konsumverhalten und unser Wohlstandsdenken.

Eingehend auf das Verhältnis Staat – Kirche in der DDR wurde im Referat zum Ausdruck gebracht, die EmK verstehe sich in Anlehnung an die anderen evangelischen Kirchen in der DDR als »Kirche im Sozialismus«.

Dieses Verhältnis sei jedoch ein ständiger Prozess, der mit der gesellschaftlichen Entwicklung einhergehe und in dem die Kirche immer wieder ihren Platz bestimmen müsse.

Im Zusammenhang mit dem zum Ausdruck gebrachten positiven Verhältnis zum Staat wurde auf das sogenannte Wort zum Frieden der EmK verwiesen, in dem der 40. Jahrestag des Sieges über den Hitlerfaschismus und die Befreiung des deutschen Volkes als Befreiungstat der Sowjetunion und als bedeutendes historisches Ereignis gewürdigt wurde.4

In der Diskussion zum Referat wurde auf die dargestellten Aussagen zum Problem Jugend eingegangen, wobei mehrfach die Hervorhebung der Rolle der Jugend als »Idealisierung« zurückgewiesen und allgemein auf ein engeres Zusammenwirken von älteren und jüngeren Gemeindemitgliedern orientiert wurde.

Den Konferenzteilnehmern wurden verschiedene Arbeitspapiere übergeben, die von den Ausschüssen der EmK erarbeitet worden waren.

Dabei sind folgende Dokumente beachtenswert:

Das »Friedenswort 1985«, vorgelegt durch den Ausschuss »christliche Friedensarbeit«. Es stellt, bezug nehmend auf die Beschlüsse der 6. Vollversammlung des ökumenischen Rates der Kirchen 1983 in Vancouver/Kanada5 und der methodistischen Generalversammlung 1984 in Baltimore/USA6 u. a. fest, dass »die Herstellung und Stationierung als auch der Einsatz von Atomwaffen ein Verbrechen gegen die Menschheit« sei.

Trotz einer eindeutigen Stellungnahme gegen die friedensbedrohende Rüstungspolitik der USA, insbesondere auch deren Versuche der Militarisierung des Weltraumes,7 zeigen sich im »Friedenswort 1985« neutralistische Positionen. Es wird nicht differenziert zwischen der Forcierung der Stationierung neuer Raketenwaffen in Westeuropa und notwendig gewordenen Gegenmaßnahmen der sozialistischen Staatengemeinschaft.

Begrüßt werden die Verhandlungen der UdSSR und der USA in Genf.8

In diesem Zusammenhang wird die Regierung der DDR aufgefordert, alle ihr gegebenen Möglichkeiten für eine Ächtung aller nuklearen und sonstigen Massenvernichtungsmittel auch weiterhin einzusetzen. Die EmK werde alle Aktivitäten zur Schaffung einer atomwaffenfreien Zone in Europa, zum Einfrieren der Rüstungen und den Abbau der neuen Mittelstreckenraketen sowie zur Nichtinanspruchnahme des Weltraums durch Waffensysteme oder ihre Abwehr unterstützen.

Das vom Ausschuss »Gemeindedienste« erarbeitete »Wort der EmK in der DDR zur Umweltproblematik«.9

Ausgehend von der Feststellung eines gewachsenen Umweltbewusstseins auch bei den Mitgliedern der EmK werden Forderungen zum Erhalt von Natur und Umwelt erhoben und festgestellt, dass durch Abrüstung die dafür notwendigen Mittel freigesetzt werden könnten. Jedem Mitglied wird empfohlen, »seinen Beitrag« zur Erhaltung der Umwelt zu leisten und die in der DDR vorhandenen gesellschaftlichen Möglichkeiten der Mitarbeit – u. a. in der Gesellschaft für Natur und Umwelt im Kulturbund10 – zu nutzen. Gleichzeitig wird auf ein umweltbewusstes persönliches Handeln der Gemeindemitglieder orientiert.

Ferner wird verwiesen auf das hinlänglich bekannte Kirchliche Forschungsheim Wittenberg11 und dessen Tätigkeit auf dem Gebiet des Umweltschutzes sowie die mögliche Nutzung von Ergebnissen der Arbeit dieser Einrichtung der evangelischen Kirche in der DDR für die eigene diesbezügliche Arbeit. (Probleme des Umweltschutzes fanden darüber hinaus Erwähnung in weiteren Berichten und Materialien der Konferenz.)

Der vom Ausschuss »Gehalt und Versorgung« eingebrachte Vorschlag, mit dem Staatssekretariat für Arbeit und Löhne der DDR einen Vertrag über eine staatliche Rentenversicherung für Pastoren der EmK abzuschließen. Der Vorschlag wurde von den Delegierten angenommen, nachdem in der hierzu geführten Diskussion verschiedentlich geäußert worden war, mit einem Eintritt in die staatliche Rentenversicherung könnte der freikirchliche Charakter der EmK eingeschränkt werden und ein gewisses Abhängigkeitsverhältnis vom Staat entstehen.

In den Berichterstattungen der Superintendenten der drei Distrikte der EmK wurde auf eine weiter sinkende Tendenz in der Mitgliederzahl und ungenügende »missionarische Aktivitäten« hingewiesen; gleichzeitig darauf, dass die Spendenfreudigkeit der Gemeindemitglieder weiter angestiegen sei, sodass Baumaßnahmen und andere Ausgaben aus eigenem Finanzaufkommen und Solidaritätssendungen an Partnergemeinden in Angola, Zaire und Indien realisiert werden konnten.

Das »Jugendwerk« der EmK orientierte während der Konferenz auf eine Verbesserung der Basisarbeit und Mitarbeiterschulung. Ökumenische Kontakte, soweit sie der praktischen Jugendarbeit dienen, sollen erweitert und die Situation junger Menschen in der Kirche und Gesellschaft fortlaufend beobachtet und ausgewertet werden.

Um eine Kontinuität in der Jugendarbeit zu erreichen, sollen dafür ab 1986 entsprechende kirchliche Amtsträger eingesetzt werden.

Der Pastor der Gemeinde der EmK in Weimar, Kobylinski, Siegmund,12 [Passage mit schutzwürdigen Informationen nicht wiedergegeben] stellte an den Ausschuss »Konferenzzugehörigkeit« den Antrag auf Unterstützung hinsichtlich einer von ihm angestrebten Übersiedlung in die BRD und des Tätigwerdens in einer Gemeinde der dortigen EmK.

Durch den Ausschuss wurde dieser Antrag befürwortet und den stimmberechtigen Pastoren zur Entscheidung vorgelegt, jedoch von diesen mit 55 gegen 48 Stimmen abgelehnt.

Kobylinski erklärte daraufhin, er werde entsprechend den Beschlüssen der KSZE-Schlussakte13 trotzdem weitere Schritte bezüglich seiner Übersiedlung in die BRD unternehmen.

Von der Konferenz wurde der Diplom-Mathematiker Heidler/Freiberg14 zum Konferenzlaienführer gewählt (sein Vorgänger war verstorben).

Gewählt wurden ferner Kandidaten für zwei Superintendenten, aus deren Reihen Bischof Härtel/Dresden, Pastor Demmler/Crottendorf,15 [Bezirk] Karl-Marx-Stadt als Superintendent für den Dresdener Distrikt und Pastor Wittko/Rostock16 für den Berliner Distrikt berief. Nach dem MfS dazu bisher vorliegenden vertraulichen Informationen werden beide als loyal und politisch realistisch eingeschätzt.

Die Delegierten wurden informiert, dass am 27. und 28. September 1985 in der Zionskirche in Schwarzenberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt das »Friedensseminar 1985« der EmK in der DDR zum Thema »Geschichtsverständnis und Schulderkenntnis als Aufgaben christlicher Friedenserziehung« durchgeführt und durch den Ausschuss »christliche Friedensarbeit« vorbereitet wird. Als Gastreferent ist dafür der dem MfS wegen seiner feindlich-negativen Haltung hinlänglich bekannte Studentenpfarrer Richter/Naumburg,17 [Bezirk] Halle vorgesehen.

Zur Teilnahme an der Tagung des Weltrates der methodistischen Kirche vom 22. bis 26. Juli 1986 in Nairobi/Kenia wurden Bischof Härtel/Dresden, Pastor Rögner/Dresden,18 Superintendent Walther/Zwickau19 und Kirchenleitungsmitglied Dr. Tenner/Prösen20 nominiert.

Die nächste Jahreskonferenz der EmK findet vom 21. bis 25. Juni 1986 in Aue, Bezirk Karl-Marx-Stadt statt.

Die Information ist wegen Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.

  1. Zum nächsten Dokument Einnahmen Mindestumtausch, 17.–23.6.1985

    29. Juni 1985
    Information Nr. 268/85 über die Entwicklung der Einnahmen aus der Durchführung des verbindlichen Mindestumtausches für die Zeit vom 17. Juni 1985 bis 23. Juni 1985

  2. Zum vorherigen Dokument Berliner Bischofskonferenz (2)

    25. Juni 1985
    Information Nr. 266/85 über die turnusmäßige Sitzung der katholischen »Berliner Bischofskonferenz« am 3./4. Juni 1985 in der Residenz von Kardinal Meisner