Kooperationsräte in der Landwirtschaft im Bezirk Schwerin
7. Januar 1985
Information Nr. 14/85 über Reaktionen von Leitungskadern und Genossenschaftsbauern aus der Landwirtschaft des Bezirkes Schwerin auf die Bildung und Tätigkeit von Kooperationsräten
Vorliegenden internen Hinweisen zufolge werden im Zusammenhang mit den Orientierungen der 9. Tagung des ZK der SED1 zur weiteren Vertiefung der Kooperation zwischen den LPG und VEG der Pflanzen- und Tierproduktion, vor allem zur Übertragung wirtschaftsleitender Funktionen an die Kooperationsräte,2 im gesamten Bereich der Landwirtschaft des Bezirkes Diskussionen geführt.
Leitungskader und Genossenschaftsbauern der im Bezirk arbeitenden Musterkooperationen Lüssow, Kreis Güstrow, Redefin, Kreis Hagenow, Gorlosen, Kreis Ludwigslust, in denen den Kooperationsräten bereits wirtschaftsleitende Funktionen übertragen wurden, äußerten, die 1983 gebildeten Kooperationen hätten sich gefestigt und ein weiterer Leistungszuwachs sowie ein konkreter Nutzen, wirksam bis zum einzelnen Genossenschaftsbauern, seien erreicht worden. Sie begrüßen die auf der 9. Tagung des ZK der SED festgelegten Ziel- und Aufgabenstellungen auf dem Gebiet der Kooperation, wobei sie als entscheidende Voraussetzung zu ihrer Realisierung besonders die Schaffung ideologischer Klarheit unter allen Beschäftigten der Landwirtschaft, vorrangig unter den Leitungskadern, betrachten. (Laut Beschluss des Sekretariats der Bezirksleitung der SED und des Rates des Bezirkes werden ab 1. Januar 1985 in 37 weiteren fortgeschrittenen Kooperationen den Kooperationsräten durch Beschlüsse der LPG-Vollversammlungen wirtschaftsleitende Funktionen übertragen – für die restlichen 61 Kooperationen des Bezirkes ist dies ab 1. Januar 1986 vorgesehen.)3
In vielfältigen Meinungsäußerungen kommt vor allem zum Ausdruck, ein anderer Weg als der der Übertragung wirtschaftsleitender Funktionen an die Kooperationsräte, ausgehend vom erreichten Stand der gesellschaftlichen Entwicklung, sei nicht mehr denkbar, weil
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nur dadurch die Vorzüge der sozialistischen Planwirtschaft in der Landwirtschaft voll zum Tragen kämen,
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bei dem erreichten hohen Grad der Spezialisierung eine enge Verflechtung der Leitungsaufgaben in der Pflanzen- und Tierproduktion die einzig mögliche Form sei, um die Erträge in beiden Bereichen kostengünstig zu steigern,
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nur über diesen Weg die zur Verfügung stehenden Fonds gemeinsam ausgelastet und erforderliche Investitionen besser abgesprochen und zielgerichteter eingesetzt werden könnten,
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dadurch die landwirtschaftliche Produktion noch zweckmäßiger nach dem Territorialprinzip zu organisieren wäre, was u. a. auch deshalb von Vorteil sei, da lange Transportwege entfielen.4
Außerdem würden dadurch bessere Möglichkeiten geschaffen zur Überwindung bestehender Unterschiede zwischen den LPG (T) und LPG (P), vor allem bezüglich der materiellen Stimulierung, und zur Bildung gemeinsamer Fonds zwecks Realisierung kommunalpolitischer Aufgaben sowie zur Erhöhung des Niveaus des geistig-kulturellen Lebens auf dem Lande, die die bisherigen Möglichkeiten einzelner Landwirtschaftsbetriebe überschritten.
Von den genannten Personenkreisen wird darauf verwiesen, die Wahrnehmung wirtschaftsleitender Funktionen durch die Kooperationsräte stelle hohe Anforderungen an die kadermäßige Zusammensetzung dieser Gremien, damit durch die Leitungstätigkeit auch die erforderlichen Impulse gegeben werden, um die gestellten Aufgaben durch eine hohe Wirksamkeit der Arbeitsprozesse zu realisieren. Daraus sei abzuleiten, dass die zu Jahresbeginn 1985 durchzuführenden Vollversammlungen der LPG (P) bzw. der LPG (T) und die Beratungen zur weiteren Bildung von Kooperationen durch die zuständigen staatlichen und wirtschaftsleitenden Organe zielstrebig politisch-ideologisch und gründlich fachlich vorbereitet werden müssten.
Intern wurden darüber hinaus skeptische Auffassungen besonders von Leitungskadern landwirtschaftlicher Betriebe und Einrichtungen bekannt, die im Wesentlichen ein Infragestellen der Effektivität der gebildeten Kooperationsräte und Befürchtungen hinsichtlich einer nicht gerechtfertigten Erweiterung des Leitungs- und Verwaltungsapparates beinhalten. Charakteristisch hierfür sind solche Meinungsäußerungen,
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es wäre besser, statt den Kooperationsräten wirtschaftsleitende Funktionen zu übertragen, einen Zusammenschluss der LPG (P) und LPG (T) anzustreben, da perspektivisch die Gefahr bestünde, dass die Landwirtschaftsbetriebe zu groß, damit zu unübersichtlich und produktionsbezogen zu kostenintensiv arbeiten würden,
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für die jetzt angestrebte neue Leitungsform der Kooperationsräte sei die ideologische Einsicht in den Genossenschaften noch nicht vorhanden; es bedürfe hierzu noch viel ideologischer Überzeugungsarbeit,
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infolge der weiteren juristischen Selbstständigkeit der LPG würden die wirtschaftlich starken Kooperationen »noch stärker und die schwachen noch schwächer«.
Nach weiter vorliegenden Hinweisen bringen Leitungskader, vorwiegend LPG-Vorsitzende und Brigadiere, sowie auch Genossenschaftsbauern zum Ausdruck, in den Beschlüssen und Orientierungen der 9. Tagung des ZK der SED seien Korrekturbestrebungen zur bisherigen Landwirtschaftspolitik von Partei und Regierung erkennbar.
Derartige Auffassungen widerspiegeln sich in solchen Meinungsäußerungen:
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Man versuche jetzt, über den Weg der Kooperation die Fehler in der Landwirtschaftspolitik in Form der Trennung von Pflanzen- und Tierproduktion zu korrigieren.
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Die Trennung von Pflanzen- und Tierproduktion habe die Entwicklung der Landwirtschaft gehemmt, da sei auch mit Bewusstsein nichts mehr zu machen.
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Die Übertragung wirtschaftsleitender Funktionen an die Kooperationsräte sei als Zwischenlösung für den späteren Zusammenschluss von LPG (T) und LPG (P) zu einer einheitlichen LPG zu werten; besser wäre es, diesen Schritt sofort zu gehen; es habe sich erwiesen, dass die bisherige Struktur nicht mehr den Bedingungen entspreche und vielfach zu Mängeln und Problemen geführt habe.
Vereinzelt wird intern Unverständnis über die personelle Aufstockung der Abteilungen Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft der Räte der Kreise zum Ausdruck gebracht. Dies stehe – so wird argumentiert – im Widerspruch zum Beschluss des Politbüros.5 Da wirtschaftsleitende Funktionen an die Kooperationsräte übertragen würden, wäre es logisch, den Staats- und Verwaltungsapparat zu reduzieren.
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