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Meinungsäußerungen von Kardinal Meisner

11. April 1985
Information Nr. 139/85 über Meinungsäußerungen des Vorsitzenden der »Berliner Bischofskonferenz«, Kardinal Meisner

Dem MfS wurde streng vertraulich bekannt, dass sich Kardinal Meisner1 im internen Kreis über den Inhalt einer Audienz, die er im März 1985 beim Papst Johannes Paul II.2 hatte, äußerte.

Kardinal Meisner habe dem Papst u. a. seine Überlegungen hinsichtlich der im Rahmen des Staatsbesuches in der Italienischen Republik vorgesehenen Begegnung des Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Genossen Erich Honecker,3 mit dem Papst im April 1985 dargelegt.4

Er habe dabei die Meinung vertreten, er verspreche sich von den Gesprächen eine weitere Festigung und den Ausbau der Position der katholischen Kirche in der DDR und in den benachbarten sozialistischen Ländern.

Kardinal Meisner habe sich gegenüber dem Papst beunruhigt gezeigt, dass eine solche Begegnung zustande komme, bevor er als Vorsitzender der »Berliner Bischofskonferenz« in der DDR dem Staatsratsvorsitzenden einen Antrittsbesuch abgestattet hat.

Da eine solche Konstellation unter Umständen seinem persönlichen Image schaden könnte, habe er dem Papst vorgeschlagen, er – Meisner – wolle sich zum Zeitpunkt der Begegnung »zufällig« in Rom aufhalten mit dem Ziel, vom Papst zu dem Zusammentreffen mit dem Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Genossen Erich Honecker, hinzugezogen zu werden. Damit würde gleichzeitig erreicht, dass »der nicht mehr zu umgehende Antrittsbesuch« beim Vorsitzenden des Staatsrates der DDR gegenstandslos werde.

Papst Johannes Paul II. habe für die Position Meisners Verständnis gezeigt, jedoch keinen Zweifel daran gelassen, dass eine derartige Verfahrensweise aus Protokollgründen undurchführbar sei.

Kardinal Meisner habe daraufhin im Gespräch mit dem Papst erwogen, dem Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Genossen Honecker, im Auftrage des Papstes einen Gegenbesuch in der Botschaft der DDR in Rom abzustatten. Auch dieser Vorschlag sei vom Papst mit der Begründung zurückgewiesen worden, Kardinal Meisner gehöre nicht zur päpstlichen Kurie; außerdem wären entsprechend den protokollarischen Gepflogenheiten Gegenbesuche nur nach offiziellen Staatsbesuchen im Vatikan möglich.

Vom Papst sei darauf verwiesen worden, dass in Vorgesprächen zwischen Beauftragten der Regierung der DDR und des Vatikans die allgemeinen Grundsätze der Begegnung bereits vereinbart worden wären. Aus der Sicht des Vatikans handele es sich bei der Begegnung um eine Privataudienz mit öffentlichem Charakter, die der Papst den Repräsentanten solcher Länder gewähre, die keine diplomatischen Beziehungen mit dem Vatikan unterhalten. Es sei üblich, über derartige Treffen auch kein Kommuniqué herauszugeben.

Weiteren streng vertraulichen Äußerungen Kardinal Meisners zufolge habe sich der Papst wohlwollend zum Zustandekommen eines Zusammentreffens mit dem Vorsitzenden des Staatsrates der DDR geäußert und betont, er habe die Dialoge Erich Honeckers mit führenden Repräsentanten europäischer Staaten im Interesse der Erhaltung des Friedens und der Verständigung mit den Völkern aufmerksam verfolgt und auch deshalb dem Vorschlag der DDR in Vorbereitungsgesprächen zugestimmt, derartige Fragen zu erörtern.

Der Papst habe Kardinal Meisner gegenüber erklärt, er sei selbstverständlich über die seelsorgerischen Möglichkeiten der katholischen Kirche in der DDR informiert. Möglicherweise würden im Zusammenhang damit aus der Sicht des Vatikans aufzuwerfende »Überlegungen« schriftlich fixiert und entsprechend üblichen Gepflogenheiten dem Gesprächspartner überreicht. In diesen »Überlegungen« könnten, entsprechend der Meinungsäußerung des Papstes, bestimmte »Belastungen«, z. B. im Bildungsbereich, eine Rolle spielen.

Kardinal Meisner äußerte intern engsten Mitarbeitern gegenüber, seiner Ansicht nach müsste in diese schriftlichen »Überlegungen« u. a. auch die Jugendweiheproblematik in der DDR einbezogen werden.5

Die Information ist wegen äußerster Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.

  1. Zum nächsten Dokument Verlautbarung der Berliner Bischofskonferenz

    11. April 1985
    Information Nr. 150/85 über eine Verlautbarung der »Berliner Bischofskonferenz« zu »Beziehungen zu staatlichen Organen sowie zu politischen und gesellschaftlichen Organisationen«, gerichtet an die katholischen Geistlichen in der DDR

  2. Zum vorherigen Dokument Einnahmen Mindestumtausch, 1.–7.4.1985

    9. April 1985
    Information Nr. 140/85 über die Entwicklung der Einnahmen aus der Durchführung des verbindlichen Mindestumtausches für die Zeit vom 1. April 1985 bis 7. April 1985