Probleme im Gütertransportwesen
6. Juni 1985
Information Nr. 234/85 über einige Probleme im Zusammenhang mit Erfordernissen der weiteren Reduzierung von Schäden und Verlusten im Transportprozess und der dazu notwendigen weiteren Ausgestaltung entsprechender rechtlicher Regelungen
Das MfS führte gemeinsam mit Experten in verschiedenen Industriezweigen Untersuchungen mit dem Ziel der Unterstützung der Zurückdrängung von Schäden und Verlusten im Transportprozess durch.
Im Ergebnis der durch die Partei- und Staatsführung eingeleiteten und im Verantwortungsbereich des Ministeriums für Verkehrswesen wirksam gewordenen Maßnahmen (offener Brief des ZK der SED vom April 1984,1 Beschluss des Ministerrates über den verstärkten Einsatz von Paletten und Containern vom 26. April 1984,2 Auswertung mit Kommandokadern und leitenden Mitarbeitern der politischen Organe der Deutschen Reichsbahn) ist grundsätzlich einzuschätzen, dass es durch zielgerichteten und komplexen leitungsmäßigen Einfluss gelungen ist, die seit Jahren steigende Tendenz bei Transportschäden und -verlusten aufzuhalten und in einigen Betrieben sowie bei ausgewählten Gut-Arten erstmals Senkungen in den Verlustquoten zu erreichen.
So konnte z. B. auf der Grundlage eines vom Vorsitzenden des zentralen Transportausschusses bestätigten Programms zur Qualitätssicherung im Gütertransport eine spürbar engere Zusammenarbeit zwischen den Kombinaten und Betrieben der Volkswirtschaft und den jeweiligen Verkehrsträgern erreicht werden.
Diese Ergebnisse wurden auch durch den verstärkten Einsatz wissenschaftlich-technischer Kapazitäten zur Entwicklung qualitätsgerechter und effektiver Verpackungs-, Transport-, Umschlags- sowie Lagertechnologien erzielt.
Die im Ministerium für Verkehrswesen erfolgte Bildung eines Sektors Transportqualität und die im Zentralen Forschungsinstitut des Verkehrswesens zum Wissenschaftsbereich Transportqualität umprofilierte Beratungsstelle und deren Aktivitäten trugen ebenfalls zur Zurückdrängung der Verlustquoten auf einigen Gebieten bei.
Insgesamt wird der Kampf gegen Unordnung, Verantwortungslosigkeit und Schlamperei energischer und konsequenter geführt, konnten begünstigende Bedingungen weiter zurückgedrängt sowie Sicherheit, Ordnung und Disziplin erhöht werden.
Ungeachtet der auf der Grundlage eingangs genannter Dokumente eingeleiteten verstärkten Maßnahmen zur Zurückdrängung von Transportschäden und -verlusten bestätigten die Anfang 1985 geführten Untersuchungen das Vorhandensein einer Reihe von Mängeln und Schwächen, die das Eintreten hoher Schäden und Verluste nach wie vor verursachen bzw. begünstigen.
Diese Feststellungen werden insbesondere durch Untersuchungen in Betrieben der Obst- und Gemüseverarbeitenden Industrie, in der Spirituosenindustrie sowie des Kombinates Bauelemente und Faserstoffe bestätigt, in denen der Anteil der ausgewiesenen Transportschäden und -verluste bis zu 1 % der industriellen Warenproduktion erreicht.
Wie im Verlauf der Untersuchungen besonders deutlich wurde, tragen die in einer Anzahl geltender Erzeugnis-Standards für die Verpackung und den Transport getroffenen, zu allgemein gehaltenen bzw. nicht eindeutig formulierten Festlegungen über die Verantwortung der jeweiligen Produzenten zur Erhaltung der Erzeugnis-Qualität und zur Vermeidung von Verlusten während des Transportprozesses zum Teil in hohem Maße für das Entstehen von ungerechtfertigten Verlustquoten bei.
So ergab die Überprüfung von über 100 ausgewählten Erzeugnis-Standards:
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bei 60 % der Erzeugnis-Standards sind die Festlegungen für Verpackung und Transport zu allgemein bzw. nicht mehr aktuell,
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bei 30 % der Erzeugnis-Standards fehlen Festlegungen zur Verpackung und zum Transport gänzlich und
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bei nur 10 % der Erzeugnis-Standards entsprechen die Festlegungen den Anforderungen bezüglich Verpackung, Transport und Umschlag, die darüber hinaus zum Teil noch durch von den Betrieben entwickelte Laderichtlinien bzw. Ladetechnologien ergänzt wurden.
Der Großteil dieser Erzeugnis-Standards begünstigt somit praktisch die Nichteinhaltung der für die Transportkunden in der Gütertransportverordnung (GTVO) festgelegten Pflicht, »die Güter so zu verpacken und zu verladen, dass diese bei Be- und Entladung, beim Transport und Umschlag nicht in Verlust geraten, nicht verunreinigt, beschädigt oder vernichtet werden«.3
Auf eine positive Entwicklung deuten Untersuchungen in Betrieben der Obst- und Gemüseverarbeitenden Industrie (z. B. Versand von Kindernahrung in Glasdosen) hin.
Dort war in den Jahren 1981 bis 1983 im Zusammenhang mit der Verlagerung der Transporte auf die Schiene ein starkes Ansteigen der Transportverluste auf ein Mehrfaches zu verzeichnen.
Im Ergebnis konkreter leitungsmäßiger Maßnahmen auf der Grundlage einer monatlichen Erfassung und Analyse der Transportschäden und -verluste gelang es jedoch, in enger Zusammenarbeit mit der Deutschen Reichsbahn, die Transportverluste im Jahre 1984 wesentlich zu senken.
Die positiven Ergebnisse beim Versand von Kindernahrung in Glasdosen wurden auf der Grundlage einer innerbetrieblichen Laderichtlinie erreicht, deren Erarbeitung auf Eigeninitiative des Betriebes erfolge, da der seit 1976 gültige Erzeugnis-Standard für die Verpackung und den Transport keine eindeutigen Festlegungen zur verlustarmen Beförderung von Kindernahrung enthielt.
Wie weiter festgestellt wurde, wird bei einem Teil der Erzeugnis-Standards konkreten Festlegungen dadurch ausgewichen, indem unzulässigerweise die Belade- und Verpackungsordnung der Deutschen Reichsbahn (BVO) für die Verpackung und Verladung der Erzeugnisse zum Bestandteil der Standards erklärt wird.4
Expertenmeinungen zufolge seien die in dieser vordergründig auf die betriebssichere Transportdurchführung der Eisenbahn ausgerichteten Ordnung enthaltenen verbindlichen Festlegungen von den Transportkunden zwar einzuhalten, könnten jedoch nicht als Ersatzlösung im Sinne der Anforderungen für die Standardisierung zur Sicherung der Erzeugnis-Qualität vom Produzenten bis zum Verbraucher akzeptiert werden.
Derartige Unzulänglichkeiten seien ursächlich für unkonkrete, nicht für alle am Transportprozess Beteiligte verbindlich geregelte Anforderungen an die Verantwortung zur transportsicheren Verpackungs- und Verladeweise.
Dadurch wird gleichzeitig die Untersuchung von Pflichtverletzungen und die eindeutige Herausarbeitung der Verursacher von Transportschäden und -verlusten erschwert und die materielle Verantwortlichkeit in vielen Fällen teilweise unmöglich gemacht.
So musste z. B. von im Jahre 1984 im Binnengüterverkehr der Deutschen Reichsbahn eingetretenen ca. 58 000 Schadensfällen mit einem Gesamtschaden von ca. 61,3 Mio. Mark bei ca. 20 000 Fällen eine Schadensanerkennung durch die Deutsche Reichsbahn versagt werden.
Wie die durchgeführten Untersuchungen bestätigten, wurden diese Zurückweisungen seitens der Deutschen Reichsbahn in der Regel offensichtlich zu Recht ausgesprochen. Ein hoher Anteil der als Transportverluste bzw. Transportschäden angegebenen Verluste war eindeutig nicht im Transport-, sondern bereits im Produktionsprozess bzw. als Folgen von Mängeln und Unordnung im Lagerprozess entstanden.
Die Untersuchungen machten jedoch gleichzeitig deutlich, dass die in vielen Fällen praktizierte Art der Behandlung von Schadensfällen falsche Aussagen in den Finanzberichterstattungen der Betriebe ermöglicht bzw. begünstigt, indem die objektiven Schadensursachen nicht erkannt oder verschleiert werden. Die Feststellung der tatsächlich beim Transport entstandenen Schäden wird zumindest erheblich erschwert.
So wurden durch den VEB Nordbrand Nordhausen im Jahre 1984 6 192 000 Mark als Transportverluste ausgewiesen. Wie im Verlauf der Prüfung jedoch festgestellt wurde, waren alle vom Großhandel reklamierten Fehlmengen, Bruch- und andere Schäden einfach als Transportverluste erfasst und kostenmäßig entsprechend verbucht worden. Hinzu kommt, dass zu fast 80 % der 1984 gegenüber dem VEB Nordbrand Nordhausen reklamierten Schäden und Fehlmengen mit der Begründung, verdeckte Mängel teilweise erst drei bis sechs Monate nach Abschluss des Transportprozesses Ersatzforderungen erhoben wurden, die der VEB Nordbrand auch akzeptierte, ohne entsprechende Beweise zu fordern.
Dabei zeigten sich jedoch grobe Vernachlässigungen sowohl bei der Eingangskontrolle der Waren in den Lagern des Großhandels als auch bei der Ausarbeitung der Tatbestandsaufnahmen seitens der Deutschen Reichsbahn. Hinzu kommen grundsätzliche Mängel in der Erfassung und Nachweisführung von Transportschäden selbst, die – wie bereits angeführt – letztlich die Manipulierung von Warenverlusten und die Begehung anderer strafbarer Handlungen begünstigen.
So wird z. B. bei der eingangsseitigen Warenübernahme durch den Großhandel in der Regel nur ein Viertel der insgesamt als Transportschäden und -verluste reklamierten Bruchschäden und Fehlmengen festgestellt. Als Grundlage für Schadenersatzansprüche werden z. B. im Großhandelslager Erfurt lediglich »Strichlisten« geführt, aus denen weder Angaben über Liefertag, Sendungs-Nummer, Container-Nummer und Transportmittel zu erkennen sind und die jederzeit und beliebig verändert werden können.
Ähnliche Missstände wurden im Zusammenhang mit den Tatbestandsaufnahmen bei der Deutschen Reichsbahn bekannt. Bei einer Reihe von Güterabfertigungen wurde im Gegensatz zu den verbindlichen Regelungen des § 24 der GTVO5 festgestellt, dass die Mehrzahl der Tatbestandsaufnahmen bei genannten Gut-Arten durch die Güterabfertigungen allein aufgrund fernmündlicher Schadensmeldungen nach »Angaben des Empfängers« erfolgt und keine Prüfung vor Ort vorgenommen wird.
Die Höhe der erfassten Transportschäden und -verluste bewegt sich im Jahre 1984 zwischen 0,48 % des Gesamtumsatzes (Lager Karl-Marx-Stadt) und 1,39 % (Lager Berlin-Lichtenberg Nordost). Diese erheblichen Unterschiede bei gleicher Gut-Art deuten zwingend auf die Notwendigkeit einer systematischen analytischen Arbeit zur Ursachenermittlung und die gezielte Einleitung schadensabwendender Maßnahmen hin.
Die Bedeutung einer konsequenten leitungsmäßigen Einordnung von Maßnahmen zur Senkung von Transportschäden wird auch am Beispiel des VEB Kombinat Bauelemente und Faserbaustoffe Leipzig sichtbar, wo trotz vorhandener Konzeptionen und Maßnahmepläne bisher keine entscheidende Senkung der Transportschäden erreicht werden konnte bzw. diese sogar bei der Gut-Art Asbest-Zement-Erzeugnisse 1984 gegenüber 1983 um ca. 35 % anstiegen.
Eine wesentliche Ursache dafür ist nach Expertenmeinungen eine völlig unzureichende leitungsmäßige Konsequenz bei der Durchsetzung festgelegter richtiger Maßnahmen.
So wurden keine Transportbruchanalysen durchgeführt, entsprechen die Verladerichtlinien nicht den Transportbedingungen und der zur leitungsmäßigen Einflussnahme auf die Senkung der Transportschäden gebildete Verpackungsausschuss unter Leitung des Direktors für Produktion wurde noch nicht wirksam. Das ermöglichte z. B. einen erheblichen Teil der an Dachbelägen aufgetretenen Schäden, die eindeutig auf Hitzeeinwirkung zurückzuführen sind, bewusst und wider besseres Wissen nach wie vor als Transportschäden auszuweisen.
Wie die geführten Untersuchungen, insbesondere zum Eisenbahntransport, ergaben, wirken vor allem ungenügende bzw. mangelhafte, nicht TGL-gerechte Verpackung und Umschlagstechnologien, unzweckmäßige bzw. vorschriftswidrige Beladung von Güterwagen und Containern, insbesondere mangelhafte Ladegutsicherung und nicht qualitätsgerechte Arbeit im Transportprozess nach wie vor hemmend auf das weitere Zurückdrängen von Transportschäden und -verlusten.
Eine Reihe von Versendern hat sich auf die aus dem Prozess der Verlagerung der Transporte von der Straße auf die Schiene entstandenen höheren Anforderungen an die Verpackungs- und Transporttechnologie nach wie vor noch nicht im erforderlichen Umfang eingestellt. So werde die Verpackung unverändert beibehalten, die Ursachen für steigende Transportschäden und -verluste ungenügend oder nicht erforscht und die eigenen Möglichkeiten zur Verbesserung der Situation nicht ausreichend genutzt.
Wesentlichen Einfluss auf die Ursachenermittlung von Transportschäden und -verlusten im Eisenbahnwesen hat der Einsatz von Stoßmessgeräten. Durchgeführte Kontrollen zum Einsatz der Stoßmessgeräte machten jedoch deutlich, dass die Anzahl der zur Verfügung stehenden Geräte nicht ausreicht und die vorhandenen technisch veraltet, zu schwer und stark störanfällig sind. (Ende März 1985 waren von den der Deutschen Reichsbahn zur Verfügung stehenden 189 Stoßmessgeräten 93 Geräte wegen hoher Störanfälligkeit nicht einsetzbar.)
Die verfügbaren Geräte kommen nicht durchgängig und schwerpunktbezogen zum Einsatz. Von zentraler Ebene erfolgt keine Koordinierung, ihr Einsatz erfolgt vielmehr nach territorialem Ermessen und zu sporadisch. Darüber hinaus werden die gefährdeten Transportgutarten einschließlich der dazu festliegenden Transportwege unzureichend berücksichtigt.
In Anbetracht des Umfangs des Transportes von besonders gefährdeten Gut-Arten durch die Deutsche Reichsbahn und der noch ungelösten Probleme bei der Verladung und Verpackung durch die Kombinate und Betriebe wird es im Interesse des konsequenten Zurückdrängens bzw. der Verhinderung von Transportschäden und -verlusten für erforderlich gehalten, die Durchführung einer Reihe von Maßnahmen zu prüfen bzw. zu entscheiden, die nach übereinstimmenden Aussagen die Situation auf diesem Gebiet positiv beeinflussen könnten.
Auch unter dem Gesichtspunkt der Erschließung weiterer Reserven in Vorbereitung des XI. Parteitages der SED6 wäre es zweckmäßig, unverzüglich verbindliche Maßnahmen in nachfolgend genanntem Sinne zu veranlassen.
Es sollte rechtlich verbindlich geregelt werden, die Verantwortlichkeit der Leiter der Kombinate und Betriebe auch für die Qualitätssicherung im Gütertransport und die Pflicht zur Gewährleistung einer planmäßigen analytischen Arbeit über Transportschäden und -verluste nach einheitlichen Grundsätzen festzulegen, um exakte Angaben zu den Ursachen, begünstigenden Bedingungen und den Schadensumfang bei Schwerpunktgutarten zu erhalten und auf dieser Grundlage eine wirksame vorbeugende Tätigkeit entwickeln zu können.
Im Zusammenhang mit Transportverlagerungen von der Straße auf die Schiene sollten verbindliche Maßnahmen zur Anpassung der Verpackung, Ladegutsicherung und Transporttechnologie an diese neuen Bedingungen, einschließlich der Bilanzierung notwendiger Ressourcen dafür, sowie der Anpassung der Erzeugnis-Standards im Abschnitt »Verpackung, Transport und Lagerung« unter umfassender Einbeziehung von Wissenschaft und Technik festgelegt werden.
Die verantwortlichen Leiter von Kombinaten und Betrieben sollten zur Ausarbeitung von zweckmäßigen »Richtlinien für die Verpackung, Verladeweise und den Transport von Gütern mit der Eisenbahn (Laderichtlinien)« verpflichtet werden für Güter, die besonders bruch- und stoßgefährdet und somit beim Eisenbahntransport hohen Belastungen ausgesetzt sind bzw. die wegen ihres Wertes besondere volkswirtschaftliche Bedeutung besitzen und an deren Verladeweise zur Schadenssenkung demzufolge besondere Anforderungen zu stellen sind.
Das Ministerium für Verkehrswesen sollte beauftragt werden, den leitungsmäßigen Einfluss zur konsequenten Umsetzung des Programms zur Erhöhung der Qualität im Gütertransport sowie dessen ständige Aktualisierung zu verstärken und die Untersuchungen zur Senkung der Beanspruchung der Güter beim Rangieren fortzusetzen sowie entsprechende Beförderungsrichtlinien für bruchempfindliche Güter auszuarbeiten. Weiterhin sollte die Zahl der Güterwagenumstellungen entscheidend reduziert und die Neuentwicklung von Stoßmessgeräten sowie ein zentral abgestimmter Einsatz der vorhandenen Geräte gewährleistet werden.
Zur weiteren Senkung und vorbeugenden Verhinderung von Transportschäden und -verlusten sollte der Kampf in allen Bereichen der Volkswirtschaft zur Erhöhung von Sicherheit und Ordnung unter Einbeziehung aller gesellschaftlichen Kräfte mit größerer Konsequenz als bisher organisiert werden.
In diesem Zusammenhang ist verstärkt Einfluss darauf zu nehmen, die gesetzlichen Regelungen, Vorschriften und Weisungen zur Qualitätssicherung im Gütertransport in allen Stufen des volkswirtschaftlichen Reproduktionsprozesses kompromisslos durchzusetzen.