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Provokationen durch Reisegruppe der Konrad-Adenauer-Stiftung

12. Juli 1985
Information Nr. 307/85 über provokatorisches Verhalten von Teilnehmern einer Reisegruppe der »Konrad-Adenauer-Stiftung« während ihres Aufenthaltes in der DDR

[Faksimile vom Deckblatt zu Information 307/85]

Aufgrund vorliegender Hinweise über das provokatorische Verhalten von Teilnehmern einer 19 Personen umfassenden Reisegruppe der »Konrad-Adenauer-Stiftung«1 (hielt sich am 14.6.1985 zu einem touristischen Tagesaufenthalt im Bezirk Schwerin auf) erfolgte eine nochmalige gründliche Überprüfung. In ihrem Ergebnis wurde Folgendes festgestellt:

Als Reiseleiter der Reisegruppe fungierte der Mitarbeiter der »Konrad-Adenauer-Stiftung«, der Bürger der BRD Becker, Peter2 (40), wohnhaft 5060 Bergisch-Gladbach, [Straße, Nr.].

(Becker hielt sich 1985 bereits am 16. Mai und 30. Mai jeweils zum Tagesaufenthalt als Reiseleiter von Reisegruppen der »Konrad-Adenauer-Stiftung« in der DDR auf.)

Schon unmittelbar nach der Übernahme der Reisegruppe durch einen Reiseleiter der DDR begannen mehrere Teilnehmer fortwährend provokatorische Fragen an den Reiseleiter der DDR zu stellen, bezeichneten das festgelegte touristische Programm als überflüssig und versuchten, den vorgesehenen Programmablauf bewusst zu stören.

In diesem Zusammenhang traten insbesondere die Bürger der BRD, [Name 1, Vorname], geboren am [Tag, Monat] 1937 in Paderborn, Stadionwart bei der Stadtverwaltung, wohnhaft Paderborn, [Straße, Nr.] und [Name 2, Vorname], geboren am [Tag, Monat] 1944 in Nörvenich, Videomechanikermeister, wohnhaft Nörvenich, [Straße, Nr.], in provokatorischer Art und Weise auf. (Hinweise auf ihre Äußerungen siehe Anlage.)

Durch den für die Reisegruppe verantwortlichen Becker, wurden diese fortgesetzten provokatorischen Verhaltensweisen geduldet und die Forderung erhoben, in Ludwigslust auf das touristische Programm zugunsten eines von ihm bereits vereinbarten Besuches bei Pfarrer Abel3 zu verzichten. Dieser Forderung folgend (sie konnte vom Reiseleiter der DDR nicht verhindert werden) begaben sich die Mitglieder der Reisegruppe zur katholischen Kirche Ludwigslust und nahmen an einer zu diesem Zeitpunkt stattfindenden Messe teil.

Weiterhin suchten Becker und Teilnehmer der Reisegruppe zur Aufnahme individueller Kontakte in Schwerin das Café »Am Markt« auf, wo sie versuchten, mit in der gastronomischen Einrichtung aufenthältlichen Bürgern der DDR in provokatorischer Weise gezielt u. a. folgende Probleme zu diskutieren:

  • »Die Unmenschlichkeit der Grenzsicherungsanlagen der DDR, die sich hauptsächlich gegen die eigene Bevölkerung richte,

  • Die Manipulierung der Jugend der DDR im Sinne des Staates,

  • Vorwürfe, dass die DDR Menschenhandel betreibe, indem sie jährlich Tausende ihrer Bürger von der BRD freikaufen lasse.«

Äußerungen des Becker zufolge habe er die Teilnehmer der Reisegruppe in einer »Grenzzonenveranstaltung« in Hitzacker (in unmittelbarer Nähe der Staatsgrenze der DDR) auf den Aufenthalt in der DDR vorbereitet.

Es wird vorgeschlagen, aufgrund der provokatorischen Verhaltensweisen während ihres touristischen Aufenthaltes in der DDR gegen die BRD-Bürger Becker, [Name 1] und [Name 2] Maßnahmen zur Verhinderung der Einreise in die bzw. des Transits durch die DDR – ausgenommen des vom Transitabkommen erfassten Transitverkehrs zwischen der BRD und Westberlin – einzuleiten.

Anlage zur Information Nr. 307/85

Hinweise auf provokatorische sowie diskriminierende Äußerungen der Reisegruppenteilnehmer [Name 1] und [Name 2]

[Name 1], der als Sprecher der Reisegruppe auftrat, äußerte u. a. gegenüber dem Reiseleiter der DDR:

  • In der DDR fühle er sich wie im KZ, rundum von Stacheldraht eingezäunt, der eventuell noch elektrisch geladen sei.

  • Die an der Staatsgrenze angebrachten Selbstschussanlagen4 zielen nicht auf die äußeren Feinde, sondern in das Landesinnere, auf die Bürger der DDR.

  • Der Verlauf der Elbgrenze5 müsse so bestehen bleiben, damit mutigen Bürgern der DDR die Chance erhalten bleibt, schwimmend in die BRD zu flüchten.

Des Weiteren lehnte die Reisegruppe auf Betreiben des [Name 1] sowie mit Unterstützung anderer Teilnehmer die Besichtigung der Gedenkstätte für das ehemalige KZ Reiherhorst6 ab.

In diesem Zusammenhang äußerte [Name 1]: »Es sei eine Schande für Deutschland, so etwas nach 40 Jahren noch zu zeigen und in ein touristisches Programm aufzunehmen. Besser sollte die Grenze zur BRD verschwinden. Die DDR sei ohnehin ein großes KZ, umgeben von Stacheldraht und Wachtürmen. Hitler hatte seine KZ auch nicht anders gesichert. Der Besuch der Gedenkstätte für die Opfer des Todesmarsches vom KZ Sachsenhausen in Raben Steinfeld7 wurde ebenfalls von der Gruppe abgelehnt. Sie wollten stattdessen endlich eine Gedenkstätte für die Opfer des Stalinismus sehen!«

Darüber hinaus stimmte [Name 1] im Reisebus – trotz wiederholten Protestes des Reiseleiters – mehrfach Lieder revanchistischen Inhalts an.

[Name 2] würdigte in verleumderischer Art und Weise die gesellschaftlichen Verhältnisse in der DDR herab, indem er u. a. bekundete, dass die Bürger der DDR hinter Stacheldraht, in schlechten, grauen Häusern und mit demolierten Kirchen leben müssen.

Nachdem in Ludwigslust von [Name 2] in provokatorischer Art und Weise angesprochene »Junge Pioniere« ihre positive Einstellung zur DDR bekundeten, äußerte er: »Es ist so, wie wir uns das gedacht haben. Eingeschworen auf einen Staat und einen Mann. Keine eigene Meinung. Die Jugend wird hier genau wie bei Hitler erzogen.«

Während des Aufenthaltes in Schwerin verunglimpfte [Name 2] die Deutsch-Sowjetische-Freundschaft8 im Zusammenhang mit angebrachten Plakaten zur 825-Jahrfeier der Stadt. Außerdem forderte er im Namen der Touristen, das touristische Programm abzubrechen und der Gruppe endlich Gelegenheit zu geben, selbst mit den Menschen hier zu sprechen.

  1. Zum nächsten Dokument Reaktionen aus Botschaften auf Transitregelung Sri Lanka

    15. Juli 1985
    Hinweis zur Reaktion von Auslandsvertretungen auf die Information der DDR über die Verfahrensweise gegenüber Bürgern aus Sri Lanka im Transitverkehr durch die DDR [O/146]

  2. Zum vorherigen Dokument Einnahmen Mindestumtausch, 1.–7.7.1985

    10. Juli 1985
    Information Nr. 298/85 über die Entwicklung der Einnahmen aus der Durchführung des verbindlichen Mindestumtausches für die Zeit vom 1. Juli 1985 bis 7. Juli 1985