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Reaktion der Bevölkerung auf Rückkehrerkampagne im ND (1)

7. März 1985
Erste Hinweise über Reaktionen der Bevölkerung der DDR auf die im ND vom 6. März 1985 veröffentlichte Mitteilung »Über 20 000 Ehemalige wollen zurück« [O/138]

Nach ersten vorliegenden Hinweisen hat die Mitteilung darüber, dass über 20 000 ehemalige DDR-Bürger ihren Wunsch nach Rückkehr in unsere Republik geäußert haben, umfangreiche Diskussionen ausgelöst.1

Bürger aller Bevölkerungsschichten haben die Veröffentlichungen mit großem Interesse verfolgt und stimmen dem politisch-offensiven Vorgehen der Partei- und Staatsführung, indem mit konkreten Beispielen vor allem die soziale Unsicherheit im kapitalistischen System eindrucksvoll belegt wird, vollinhaltlich zu.

Überwiegender Grundtenor der bisher bekannt gewordenen Meinungsäußerungen bezüglich des Wunsches ehemaliger DDR-Bürger nach Rückkehr in die DDR ist, man solle diesem Anliegen nicht nachkommen.

Charakteristische Argumente dafür sind folgende Auffassungen:

  • Diese ehemaligen DDR-Bürger hätten in der Vergangenheit unserem Staat großen politischen Schaden zugefügt, indem sie unsere gesellschaftlichen Verhältnisse verunglimpften.

  • Ihre angestrebte Rückkehr geschehe nicht aus einer veränderten politischen Einstellung heraus, sondern aufgrund gegenwärtiger sozialer Zwangslagen.

  • Die übergesiedelten Personen hätten oftmals mit Hartnäckigkeit den Weg zur Ausreise in die BRD oder nach Westberlin angestrebt und würden bei einer Wiederaufnahme in der DDR keine Garantie dafür bieten, nicht wieder negativ unserem Staat gegenüber in Erscheinung zu treten.

  • Ihre Übersiedlungsabsichten haben sie mit großer Hartnäckigkeit trotz vielfältiger Warnungen wider besseres Wissen verfolgt.

Jetzt sollten diese Personen mit ihrer Entscheidung auch selbst fertig werden.

Eine Vielzahl von Bürgern, insbesondere Werktätige aus volkseigenen Betrieben, vertritt die Auffassung, wonach bei der Prüfung von Anträgen auf Rückkehr in die DDR durch die zuständigen Organe gründlich und gewissenhaft vorgegangen werden sollte. Nicht jeder Wunsch dürfe ihrer Meinung nach berücksichtigt werden.

Keinesfalls könne, so wird argumentiert, solchen Personen die Rückkehr ermöglicht werden, die aus feindlicher Einstellung heraus die DDR verlassen haben bzw. vor ihrer Übersiedlung als »Unverbesserliche« bekannt gewesen seien.

Familien mit mehreren Kindern, die derzeitig in der BRD erheblichen sozialen Zwangssituationen ausgesetzt sind, sollte man eine neue Chance geben.

In Einzelfällen bringen Werktätige zum Ausdruck, im Falle der Wiederaufnahme von ehemaligen DDR-Bürgern könnten sich Schwierigkeiten in der Bereitstellung entsprechenden Wohnraumes und angemessener Arbeitsplätze ergeben. Sie befürchten eine Bevorzugung dieser Bürger.

Nach bisher vorliegenden Hinweisen vertreten einzelne Mitarbeiter der Abteilung Inneres sowie in den Prozess der Zurückdrängung der Übersiedlungsersuchen einbezogene Personen die Auffassung, in den Veröffentlichungen im ND eine wesentliche Unterstützung für ihre weitere Arbeit gefunden zu haben, bezweifeln jedoch deren unmittelbare Wirksamkeit auf die Übersiedlungsersuchenden. Sie sind der Meinung, dass die Übersiedlungsersuchenden die im ND-Artikel genannten Personen als »gescheiterte Existenzen« betrachten und überzeugt sind, nach ihrer Übersiedlung erfolgreicher zu sein.

In einer Anzahl von Meinungsäußerungen wird zum Ausdruck gebracht, eine mögliche Rückkehr ehemaliger DDR-Bürger könne von den Übersiedlungsersuchenden als Ermunterung betrachtet werden, an ihrem Vorhaben festzuhalten, da ihnen der Weg zurück in die DDR immer offenstehen würde.

Aus dem Bezirk Cottbus wurden unter Übersiedlungsersuchenden differenzierte Haltungen zu der in westlichen elektronischen Medien veröffentlichten Mitteilung über das Eintreffen der ersten ehemaligen DDR-Bürger in der BRD, die sich in der Botschaft der BRD in Prag aufgehalten haben, bekannt.2

Überwiegend wird es abgelehnt, mit derartigen spektakulären Aktionen die Genehmigung zur Übersiedlung zu erzwingen, und auf den ordnungsgemäßen Weg der Erreichung und Bearbeitung von Ersuchen verwiesen.3

Ein anderer Teil dieser Personen bedauert jedoch, nicht auch einen solchen Schritt gegangen zu sein, da damit offensichtlich die Genehmigung der zuständigen Organe zur Übersiedlung in das NSA mit Erfolg und auch schneller durchgesetzt werden könne.

  1. Zum nächsten Dokument Straftaten durch Angehörige der Sowjetarmee 1984

    11. März 1985
    Hinweis zu im Zeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 1984 bekannt gewordenen Vorkommnissen mit Straftatencharakter unter Beteiligung von Angehörigen der GSSD [K 2/35]

  2. Zum vorherigen Dokument Einnahmen Mindestumtausch, 25.2.–3.3.1985

    6. März 1985
    Information Nr. 94/85 über die Entwicklung der Einnahmen aus der Durchführung des verbindlichen Mindestumtausches für die Zeit vom 25. Februar 1985 bis 3. März 1985