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Reaktion der Bevölkerung zu Versorgungsfragen (1)

4. Januar 1985
Zu einigen beachtenswerten Aspekten in der Reaktion der Bevölkerung der DDR im Zusammenhang mit Versorgungsfragen [O/135]

Breiten Raum nahmen bzw. nehmen in Auswertung der 9. Tagung des ZK der SED1 Diskussionen zu Fragen der Versorgung und der Preispolitik ein.

In der Mehrzahl der Meinungsäußerungen wird das überwiegend stabile Angebot an Grundnahrungsmitteln positiv bewertet.

In diesem Zusammenhang vielfältig geübte Kritiken beziehen sich vor allem auf das nicht durchgängig, über die gesamte Ladenöffnungszeit, gesicherte sortimentsgerechte Angebot bei Fleisch- und Wurstwaren, Obst und Gemüse und Molkereiprodukten, besonders Schnittkäse.

Beachtenswert ist ein erheblicher Anstieg von Diskussionen, in denen unter Bezugnahme auf die konkrete Situation im eigenen Arbeitsbereich und persönliche Feststellungen beim Einkauf Zweifel an der Objektivität veröffentlichter volkswirtschaftlicher Bilanzen geäußert werden. Teilweise wird ganz offen bei Diskussionen in Arbeitskollektiven die Vermutung ausgesprochen, dass staats- und wirtschafsleitende sowie Handelsorgane die Partei- und Staatsführung nicht wahrheitsgemäß über die Versorgungslage informieren. In vielen Fällen wird z. B. ein Widerspruch gesehen zwischen den auf der 9. Tagung dargelegten sichtbaren Fortschritten bei der Produktion von Konsumgütern und dem tatsächlichen Warenangebot.

Seit geraumer Zeit gibt es anhaltende Kritiken seitens unterschiedlichster Bevölkerungskreise in allen Bezirken der DDR am unzureichenden Angebot vor allem bei solchen Industriewaren und hochwertigen Konsumgütern wie

  • modische Damen- und Herrenoberbekleidung sowie Konfektionsware für Kinder und Jugendliche in den unteren und mittleren Preisgruppen,

  • Schuhwaren einschließlich Turnschuhen,

  • Arbeitsschutzbekleidung (Hinweise auf diesbezügliche Angebotslücken liegen aus den unterschiedlichsten Industriezweigen vor),

  • Kinderspielwaren,

  • Erzeugnisse der Heimelektronik,

  • Farbfernsehgeräte,

  • Gefrierschränke,

  • Möbel, insbesondere Anbaumöbel, Polstergarnituren und Küchen in den unteren und mittleren Preisgruppen.

Immer massivere Kritik wird geübt an der mangelhaften Bereitstellung von Ersatzteilen, insbesondere für Pkw und Fahrräder. Zunehmend Unverständnis wird geäußert über die langen Wartefristen für den Erwerb von Pkw und Pkw-Anhängern.

Zahlreiche Kunden äußern sich kritisch zu ihrer Meinung nach unvertretbar langen Wartezeiten bei Reparaturen. Besonders Mitarbeiter von Dienstleistungsbetrieben und private Handwerker verweisen auf ihre Bereitschaft zu höheren Reparaturleistungen, wenn in ausreichendem Maße Ersatzteile und andere Materialien zur Verfügung gestellt würden. Als »Engpässe« werden von ihnen insbesondere genannt: Baumaterialien, Elektrozubehör einschließlich Kabel, Installationsmaterial für Klempner, Kfz-Ersatzteile, Anstrichstoffe.

Aus mehreren Bezirken der DDR, darunter auch aus industriellen Zentren, liegen Hinweise über eine erneut ansteigende Tendenz vor, Einkäufe während der Arbeitszeit zu tätigen. Besonders ausgeprägt war dies in der Vorweihnachtszeit. (In diesem Zeitraum kam es zu erheblichen Diskussionen über angeblich gravierende Mängel in der Versorgung mit solchen festtagstypischen Erzeugnissen und Waren wie Südfrüchte, Schokoladenerzeugnisse, Backzutaten, Baumschmuck. Hauptsächlich Einwohner von Landgemeinden äußerten ihre Unzufriedenheit über die Zuteilung von Südfrüchten. Sie verwiesen in diesem Zusammenhang insbesondere auf die »Bevorteilung« der Einwohner in der Hauptstadt der DDR, Berlin.)

Bestandteil der Diskussionen zur Versorgungslage sind häufig auch Fragen der Preispolitik. Obwohl überwiegend Verständnis für größere finanzielle und materielle Aufwendungen im Interesse der Erhöhung der Verteidigungsfähigkeit zum Ausdruck gebracht wird, kommt zunehmend Unverständnis darüber zum Ausdruck, dass trotz wesentlich höherer Steigerungsraten bei Industriewaren und Konsumgütern sowie geringeren Kosten einschließlich niedrigerem Energie- und Materialeinsatz ein ihrer Auffassung nach ständiger Preisanstieg bei einer Vielzahl von im Einzelhandel angebotener Waren zu verzeichnen sei. In diesem Zusammenhang werden nach wie vor kritische Diskussionen über die Erweiterung des Delikat- und Exquisit-Handelsnetzes2 und seiner Sortimentsbreite geführt. Es wird argumentiert, durch die Umverlagerung von Erzeugnissen aus »normalen« Läden und damit verbundener »schleichender Preiserhöhungen« werde in unzulässiger Weise die Kaufkraft der Bevölkerung abgeschöpft. Verbreitet sind Auffassungen, nach denen man für sein erarbeitetes Geld nicht mehr das Erwünschte erwerben könne, da das Verhältnis von Löhnen/Gehältern zu den Preisen immer weiter auseinanderginge. Außerdem stimmten häufig die Qualität der im Delikat- und Exquisit-Handel angebotenen Waren nicht mit den diesbezüglichen Preisen überein. Es sei ein ständiger Rückgang im Angebot von Erzeugnissen in der unteren und mittleren Preisgruppe zu verzeichnen.

  1. Zum nächsten Dokument Kooperationsräte in der Landwirtschaft im Bezirk Schwerin

    7. Januar 1985
    Information Nr. 14/85 über Reaktionen von Leitungskadern und Genossenschaftsbauern aus der Landwirtschaft des Bezirkes Schwerin auf die Bildung und Tätigkeit von Kooperationsräten

  2. Zum vorherigen Dokument Einnahmen Mindestumtausch, 24.–30.12.1984

    3. Januar 1985
    Information Nr. 15/85 über die Entwicklung der Einnahmen aus der Durchführung des verbindlichen Mindestumtausches für die Zeit vom 24. Dezember 1984 bis 30. Dezember 1984