Übersicht Veranstaltungen zum 40. Jahrestag des Sieges (2)
13. Mai 1985
Feststellungen zur »Übersicht über bisher bekannt gewordene operativ zu beachtenden Veranstaltungen und andere Aktivitäten im Zusammenhang mit dem 40. Jahrestag des Sieges über den Hitlerfaschismus und der Befreiung des deutschen Volkes (DDR, BRD, Westberlin)« [K 1/153b]
Ausgehend von der vorgenannten Übersicht sind zu den darin genannten Veranstaltungen/Aktivitäten folgende Feststellungen zu treffen:1
Zu 1.
Am 26. April 1985, in der Zeit von 19.30 bis 22.00 Uhr fand ein »Gemeindeabend zum 8. Mai« (Kirche Berlin-Pankow) unter Teilnahme von ca. 100 Personen, vorwiegend Jugendlichen, darunter etwa 30 Mitgliedern des »Friedenskreises Pankow«,2 statt. Während der Veranstaltung, bei der es zu keinen feindlich-negativen Aktivitäten/Äußerungen kam, trat ein Puppenspieler auf und wurden Texte aus nicht bekannten Büchern vorgelesen. Weitere Einzelheiten noch nicht bekannt.
Zu 2.
Während des »Friedenswochenendes« in der Samaritergemeinde, organisiert durch Pfarrer Eppelmann,3 trat am 26. April 1985, in der Zeit von 20.00 bis 21.30 Uhr die Schauspielgruppe der ESG Jena vor ca. 180 jugendlichen Teilnehmern mit dem Stück: »Der Heilige Krieg« (portugiesischer Autor, verfasst 1967, pazifistischer Inhalt)4 auf, wurden am 27. April 1985 während des Seminars »Zeitzeugen«, in der Zeit von 10.00 bis 18.00 Uhr als Teilnehmer die norwegischen Professoren Schottlaender5 und Galtung,6 Bischof Forck7 und Stefan Heym8 sowie das ehemalige Mitglied der Bundestagsfraktion der Partei »Die Grünen«, Dirk Schneider,9 erkannt, fand am 28. April 1985, in der Zeit von 20.00 bis 21.15 Uhr ein Liedergottesdienst statt. Diese Veranstaltung, an der ca. 250 bis 300 Personen (Alter zwischen 20 und 30 Jahren) teilnahmen, wurde von Eppelmann mit biblischen Texten eröffnet und danach von der DDR-Gruppe »fade out«10 gestaltet. Es liegen keine Erkenntnisse vor, dass es während des »Friedenswochenendes« zu feindlich-negativen Aktivitäten gekommen ist.
Zu 3.
In der Zeit vom 25. bis 27. April 1985 fand in der Diakonissenanstalt Dessau die 7. Tagung der XVIII. Synode der Evangelischen Landeskirche Anhalts statt. Teilgenommen haben alle 39 gewählten und berufenen Synodalen sowie ausländische Gäste aus der BRD.11
Im Mittelpunkt der Tagung standen der Bericht des Landeskirchenrates, gehalten durch Kirchenpräsident Natho/Dessau,12 die Wahl der Synodalen der 5. Legislaturperiode der Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR (BEK) sowie innerkirchliche und theologische Fragen. Es erfolgten keine Angriffe gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung in der DDR. Die vorgenommene Wertung des 40. Jahrestages13 enthielt überwiegend politisch realistische Aussagen. Wichtige Lehren aus dem 40-jährigen Lernprozess für die Kirchen seien die politische Mitverantwortung der Christen, die »Möglichkeit, die Macht zu kritisieren und zu kontrollieren, ohne sie infrage zu stellen«, den Konflikt zwischen »individuellen und gesellschaftlichen Menschenrechten auszuhalten und immer wieder kritisch aufzuarbeiten«.
Zu 4. und 7.
Die Bundesversammlung und öffentliche Kundgebung des »Bundes der Vertriebenen« haben am 27./28. April 1985 in Bonn stattgefunden. Auf diesen Veranstaltungen hat der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dregger,14 den 40. Jahrestag erneut als »Tag der Trauer« bezeichnet und ein »Deutsches Reich in den Grenzen vom 31. Dezember 1937«15 gefordert. Er beschimpfte jene amerikanischen Politiker, die USA-Präsident Reagan16 von einem Besuch des Friedhofes in Bitburg abgeraten haben.17
Zu 5.
Die Veranstaltungen zum 40. Jahrestag der Befreiung des faschistischen Zuchthauses Brandenburg/Görden am 27. April 1985 verliefen störungsfrei.
Zu 6.
Der Nachvollzug des »Todesmarsches« (Gedenkmarsch), organisiert vom »Vipperower Friedenskreis«,18 am 27. April 1985 hat nicht stattgefunden. Gründe unbekannt. Am 8. Mai 1985 führten 21 Jugendliche des katholischen Junghelferkreises Crivitz, [Bezirk] Schwerin nach dem Gottesdienst einen »Sühnemarsch« von Crivitz nach Schwerin-Raben-Steinfeld durch, um damit durch das Nachvollziehen eines Teiles des »Todesmarsches« der zu Tode gequälten KZ-Häftlinge zu gedenken.19 Es kam zu keinen feindlich-negativen Aktivitäten; geringe Öffentlichkeitswirksamkeit.
Zu 8.
Der touristische Aufenthalt von Kriegsveteranen aus den USA (ehemalige Angehörige der USA-Luftwaffe) vom 30. April bis 6. Mai 1985 in der Hauptstadt der DDR, Berlin, sowie in den Bezirken Rostock, Dresden und Erfurt verlief ohne Vorkommnisse.
Zu 9.
Die Manifestation der Teilnehmer des III. »Festivals des künstlerischen Volksschaffens sozialistischer Länder« am sowjetischen Ehrenmal in Berlin-Treptow verlief programmgemäß.
Zu 10.
Über im Zusammenhang mit der Kampfdemonstration der Berliner Werktätigen in der Karl-Marx-Allee stehende operativ bedeutsame Vorkommnisse wurde in der Wochenübersicht Nr. 19/85 vom 6. Mai 1985, Seiten 2 bis 4, bereits berichtet.20 Bei der zentralen Eröffnungsveranstaltung des III. »Festivals des künstlerischen Volksschaffens sozialistischer Länder« im Palast der Republik gab es keine Vorkommnisse.
Zu 11.
Die geplanten Treffen ehemaliger Angehöriger von Verbänden der Waffen-SS (ehemalige SS-Division »Leibstandarte Adolf Hitler«, SS-Division »Hitlerjugend« und SS-Division »Totenkopf«) in Nesselwang/Bayern haben stattgefunden. Die Teilnehmer der Treffen (mehrere Hundert) vermieden – nach Angaben zuständiger Polizeibehörden – jeglichen Kontakt zur Öffentlichkeit (siehe auch Punkt 45.).
Zu 12.
Bei der für den 3. Mai 1985 terminisierten Veranstaltung handelt es sich um einen Übermittlungsfehler. Der genannte Gottesdienst, gehalten von Pfarrer Romberg,21 hat in Ludwigslust, [Bezirk] Schwerin bereits am 3. März 1985 stattgefunden (keine politisch-negativen Akzente).
zu 13.
Die Tagung der Evangelischen Akademie der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens fand vom 3. bis 5. Mai 1985 unter dem Motto: »Das entscheidende Jahr 1945 – Zusammenbruch und Neubeginn« in den Räumen der Evangelischen Akademie Meißens statt. An der Tagung nahmen 35 Personen aus der DDR sowie ein USA-Bürger (Näheres noch nicht bekannt) teil. (Hinweise zu den Auswahlkriterien für die Teilnahme sowie zum Gesamtverlauf der Tagung liegen noch nicht vor.) Im Rahmen der Tagung fand am 5. Mai 1985 ein Gottesdienst, gehalten vom Leiter der Akademie, Pfarrer Ackermann,22 unter dem genannten Thema statt. Die Predigt enthielt keine Angriffe auf die Politik der Partei in Kirchenfragen; der Sieg der Sowjetunion über den Hitlerfaschismus und die Befreiung des deutschen Volkes wurden gewürdigt. In anschließenden Diskussionen in Arbeitsgruppen versuchten einzelne Personen gegen die Kirchenpolitik der Partei im Zusammenhang mit der Bildungspolitik aufzutreten, erreichten jedoch keine Wirksamkeit. Es wurde herausgearbeitet, dass das Jahr 1945 auch für die Kirche ein Jahr des Neubeginns war und sie diesen Neubeginn gut genutzt habe.
Zu 14.
Die »Werkstatt mit Rahmenprogramm« zu Friedens- und Umweltproblemen unter Leitung von Kreisjugendpfarrer Diakon Töpfer23 wurde am 4. Mai 1985, in der Zeit von 13.00 bis 20.15 Uhr im Martin-Luther-Saal in Meiningen durchgeführt. Bei der Veranstaltung, an der ca. 150 Jugendliche/Jungerwachsene aus dem Kreis Meiningen und umliegenden Kreisen teilnahmen, waren im Rahmen der Bischofsbesuchstage Bischof Leich,24 die Oberkirchenräte Stegmann/Weimar25 und von Frommannshausen/Meiningen26 sowie Landesjugendpfarrer Friedrich27 anwesend. In seinem Referat würdigte Oberkirchenrat Stegmann den 40. Jahrestag. Vereinzelte provokatorische Fragen zur Übersiedlungsproblematik und zur Politik der Partei in Umweltfragen erreichten keine Wirksamkeit; sie wurden politisch-positiv beantwortet.
Zu 15.
Am 4. Mai 1985 fand, in der Zeit von 13.15 bis 18.00 Uhr in der Othmarskirche in Naumburg das 10. Treffen sogenannter Friedenskreise Evangelischer Studentengemeinden (ESG) in der DDR statt.
Die Organisierung des Treffens erfolgte durch Vertreter des »Friedenskreises« der ESG Naumburg28 und stand unter Leitung des operativ bekannten Studentenpfarrers Richter/Naumburg.29
Am Treffen nahmen 53 Vertreter sogenannter Friedenskreise aus der Hauptstadt der DDR, Berlin, Halle, Leipzig, Jena, Erfurt, Karl-Marx-Stadt, Dresden, Halberstadt, Güstrow und Naumburg sowie der Rektor des Katechetischen Oberseminars Naumburg (KOS), Dr. Blühm,30 teil. Die Veranstaltung wurde vorrangig in drei Arbeitskreisen durchgeführt (Thematik: »8. Mai«, »Sondersynode Erfurt«31 und »Ökologie – 3. Welt«).
Im Arbeitskreis »8. Mai« orientierte Richter die »Friedenskreise« darauf, die Errungenschaften der Antihitlerkoalition zu bewahren. Seine Ausführungen trugen keinen feindlich-negativen Charakter.
Aus dem Verlauf der Diskussion im Arbeitskreis »Sondersynode Erfurt« ergaben sich keine operativ bedeutsamen Hinweise. Im Arbeitskreis »Ökologie – 3. Welt«, geleitet vom Seminaristen des KOS Naumburg, Bickardt,32 stand im Mittelpunkt der Diskussion das Ansprechen staatlicher Organe zur verstärkten Solidarität mit Nicaragua,33 die Bildung von »Grünen Oasen« unter Leitung des Kirchlichen Forschungsheimes Wittenberg34 (die Zielstellung besteht in der verstärkten Einbeziehung der Bevölkerung in Umwelt- und Ökologieprobleme und der Erarbeitung entsprechender Vorschläge, die in staatlichen Plandokumenten Berücksichtigung finden sollten). Die Veranstaltung – ausschließlich auf die Othmarskirche begrenzt – wurde nicht öffentlichkeitswirksam.
Zu 16.
Zehntausende Antifaschisten, darunter Bürger unterschiedlichster politischer und religiöser Auffassungen, beteiligten sich am 4. Mai 1985 an Demonstrationen und antifaschistischen Kundgebungen in Köln, Hamburg und Frankfurt/Main.
Die Redner, DKP-Vorsitzender Mies35 (Köln) und Bezirksvorsitzender der DKP, Gehrcke,36 (Hamburg), verurteilten den geplanten »Bitburg-Besuch« USA-Präsident Reagans.
In Hamburg nahmen mehr als 30 000 Personen an einer Kranzniederlegung am Ehrenmal auf dem Ohlsdorfer Friedhof teil.
Zu 17.
Es liegen keine Erkenntnisse vor, ob die Tagung des Initiativkreises »Linke Deutschlanddiskussion«37 am 4./5. Mai 1985 in Westberlin stattgefunden hat.
Zu 18.
Am 4./5. Mai 1985 hat in Bad Godesberg das Internationale Forum »Versöhnung« unter dem Motto: »Mai 1945 bis Mai 1985: 40 Jahre kalter Krieg«, organisiert durch das Mitglied des Bundestages, Bastian,38 und das Mitglied der Bundestagsfraktion der Partei »Die Grünen«, Kelly,39 in Anwesenheit mehrerer ehemaliger hoher Offiziere der Bundeswehr (Namen noch nicht bekannt) stattgefunden.
Eine Teilnahme operativ bekannter Mitglieder der Gruppierung »Frauen für den Frieden«40 an diesem Treffen wurde durch entsprechende Maßnahmen verhindert.
Zu 19.
Die »Blues-Messen«41 wurden durch entsprechende Einflussnahme vorerst verschoben. Als voraussichtlich neuer Termin wurde der 16. Juni 1985 festgelegt. (Die Organisatoren der »Blues-Messen« haben entsprechenden Druck auf die Leitung der Evangelisch-Lutherischen Kirche Berlin-Brandenburg ausgeübt.)42
Zu 20.
Der Aufenthalt der internationalen Autostafette »Sieg 40« der Wehrorganisationen der sozialistischen Länder (33 Pkw) auf dem Territorium der DDR verlief ohne Vorkommnisse.43
Zu 21.
Das »Ökumenische Kolloquium« der Sektionen Theologie an den Universitäten der DDR vom 7. bis 9. Mai 1985 an der Humboldt-Universität Berlin wurde am 9. Mai 1985 mit einem Podiumsgespräch, an dem Vertreter aus sieben Ländern teilnahmen, beendet. In großer Einmütigkeit wurde ausgehend vom inhaltlichen Verlauf des Kolloquiums appelliert, dass Christen und Nichtchristen sich gemeinsam gegen neue, die Menschheit bedrohende Gefahren wehren müssen. Der Öffentlichkeit wurde eine Erklärung der Direktoren der Sektionen Theologie an den Universitäten der DDR zur »40. Wiederkehr des 8. Mai 1985« übergeben. Darin wird u. a. in Dankbarkeit der Befreiung vom Faschismus gedacht, werden die Opferbereitschaft und persönlichen Leiden der Völker der Sowjetunion gewürdigt und eine Abkehr vom Antikommunismus gefordert.44
Zu 22.
Die sogenannte parallele deutsch-deutsche Aktion provokatorisch-demonstrativen Charakters wurde am 6. Mai 1985 in der Hauptstadt der DDR, Berlin, durchgeführt. (Entsprechende Einzelheiten siehe Information in der Wochenübersicht Nr. 19/85 vom 6. Mai 1985.45)
Zu 23.
Das Treffen mit ehemaligen Jugendoffizieren der Roten Armee im Zentralrat der FDJ, die Festveranstaltung im Palast der Republik sowie die Manifestation der Jugend am Ehrenmal für die gefallenen Helden der Sowjetarmee in Berlin-Treptow verliefen störungsfrei.
Zu 24.
Die Veranstaltung der ESG Güstrow/Schwerin in der Domgemeinde am 7. Mai 1985, organisiert von dem operativ bekannten Heiko Lietz/Güstrow46 sowie dem Leiter der ESG Güstrow, Diakon Voss,47 hat nicht stattgefunden. Sie wurde mit dem unter 35. genannten Gottesdienst verknüpft, wobei keine Erkenntnisse vorliegen, dass Augenzeugen der Ereignisse der kampflosen Übergabe der Stadt Güstrow öffentlich zu Wort kamen.
Zu 25.
Die »Gebetsnacht für den Frieden« der ESG Potsdam fand am 7. Mai 1985 (20.00/22.00 Uhr) im Gemeindehaus Kiezstraße statt. Vor ca. 60 Teilnehmern erklärte Studentenpfarrer Dittmer,48 der »Nationalsozialismus fängt bei jedem selbst an, in der Form, anderen etwas aufoktroyieren zu wollen…«, »Christen müssen durch ihre Befreiung mithelfen, andere zu befreien, zu versöhnen; die bekennende Kirche war die einzige, die sich offiziell gegen das NS-Regime gewandt hat«. Die Veranstaltung verlief störungsfrei.
Zu 26.
Auf der Gedenkveranstaltung des Westberliner Abgeordnetenhauses am 7. Mai 1985 im Rathaus Schöneberg, an der die drei westlichen alliierten Stadtkommandanten teilnahmen, erklärte der Regierende Bürgermeister von Westberlin, Diepgen,49 »Lehre und Mahnung des 8. Mai 1945« sei, »den Weg zu Vertrauen und Versöhnung weiterzugehen«. Es gebe »auf Dauer in der Mitte Europas keine politische Stabilität, keinen wirklichen Frieden in Freiheit mit der Teilung«. Der Präsident des Abgeordnetenhauses, Rebsch,50 bezeichnete u. a. den 8. Mai 1945 als »das Ende der dunkelsten Zeit unserer Geschichte«. Der ehemalige britische Botschafter in der BRD, Roberts,51 hob hervor, dass der »bemerkenswerte Wandel Deutschlands nach 1945« ein Erfolgserlebnis sei, das in der Weltgeschichte kaum, wenn überhaupt, seinesgleichen hat und für das herausragenden Staatsmännern in den USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland unsere Dankbarkeit gebührt.
Der Politologe Flechtheim52 bezeichnete den Nationalsozialismus als »die deutsche Krankheit, die sich zwar verdrängen, aber nicht aus der Welt schaffen lasse«. Flechtheim bedauerte es, dass in der BRD die »anfangs von SPD und CDU« geforderte »sozialistische Neugestaltung der Gesellschaft nicht verwirklicht worden« sei.
Kranzniederlegungen erfolgten vor der Gedenkveranstaltung durch Diepgen und Rebsch auf dem Garnisonsfriedhof in der Lilienthalstraße und danach durch Angehörige der vier Fraktionen an der Gedenkstätte Plötzensee.
Zu 27.
Auf einer gemeinsamen Kundgebung der jüdischen Gemeinde Westberlins, des DGB, der evangelischen Kirche und des Landesjugendringes vor dem Jüdischen Gemeindehaus in der Fasanenstraße am 7. Mai 1985 erklärte der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde, Galinski,53 es sei eine »bedauerliche Tatsache, dass Gewalt, Willkür, Unrecht, Unterdrückung und Unmenschlichkeit auch nach dem 8. Mai 1945 nicht überall verschwunden« seien. Der DGB-Vorsitzende Pagels54 hob in seiner Rede hervor, »der 8. Mai 1945 war und ist Herausforderung und Chance einer neuen Politik, die es ohne Verdrängung, ohne Rückzug … zu gestalten gilt.« Der Vorsitzende des Landesjugendringes, Pethke,55 betonte u. a., »die Erlebnisse und Erfahrungen der damaligen Jugendlichen, die gegenüber dem Nationalsozialismus standhaft geblieben seien, stellten einen wichtigen Bezugspunkt für das Engagement der heutigen Jugend für eine friedvolle und gerechte Welt dar.«
Zu 28.
An dem ökumenischen Gottesdienst am 7. Mai 1985 vor der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche unter dem Leitthema: »Befreit zur Versöhnung« nahmen ca. 3 000 Personen teil. Unter den geistlichen Würdenträgern des Gottesdienstes waren u. a. der russische Exarch für Berlin und Mitteleuropa, der katholische Generalvikar und der Metropolit der griechisch-orthodoxen Kirche in Deutschland.
Weitere Teilnehmer waren der französische und amerikanische Stadtkommandant, der britische Gesandte sowie Galinski, Diepgen, Rebsch, mehrere Senatoren und der CDU-Fraktionsvorsitzende Buwitt.56 Bischof Kruse57 stellte das »gemeinsame Wort der evangelischen Kirchen in Ost und West«58 mit der Bitte »Bezeugt durch euer Leben, wie Konflikte mit anderen Menschen friedlich überwunden werden können« in den Mittelpunkt seiner Predigt. Das heiße, »das Lebensrecht aller Menschen zu achten, nicht nur das eigene«.
Zu 29.
Am »Nürnberger Friedensgespräch« der SPD nahmen neben den Führungsgremien der SPD die Vertreter der Märtyrerstädte des Zweiten Weltkrieges Auschwitz und Lidice, Coventry und Wolgograd, Dresden und Rotterdam, Leningrad59 und Warschau, Minsk und Köln, Oradour-sur-Glane und Villeneuve d'Ascq mit dem inzwischen eingemeindeten Oradour teil.
Die Delegation aus Dresden wurde von Oberbürgermeister Schill60 geleitet. Anwesend war auch der Leiter der Ständigen Vertretung der DDR in der BRD, Botschafter Moldt.61 Im Namen der Sozialdemokraten der BRD erklärte der Vorsitzende der SPD, Brandt,62 Gewalt dürfe nie mehr ein Mittel werden, um irgendein außenpolitisches Ziel zu erreichen. Die aus dem Zweiten Weltkrieg hervorgegangenen Grenzen dürften nicht infrage gestellt werden. Die BRD habe niemandem gegenüber territoriale Ansprüche zu stellen.
»Von deutschem Boden sollen nie wieder Überfälle ausgehen, hoffentlich aber viele Werke des Friedens«, forderte Brandt. Die unterschiedlichen Gesellschaftsordnungen und Bündnisloyalitäten bezeichnete Brandt als die Realitäten, von denen bei der Friedenssicherung ausgegangen werden müsse.
Zu 30.
Den Ablauf der Kranzniederlegungen der Partei- und Staatsführung der DDR sowie den Großen Zapfenstreich der NVA am 8. Mai 1985 beeinflussende Vorkommnisse traten nicht auf.
Zu 31.
Am 8. Mai 1985, in der Zeit von 20.00 bis 22.00 Uhr fand in der St.-Johannis-Kirche in Karl-Marx-Stadt ein vom »Friedenskreis« der ESG Karl-Marx-Stadt organisierter Gottesdienst statt, an dem ca. 120 Personen (ca. 800 Teilnehmer waren erwartet worden) teilnahmen. Die Veranstaltung stand unter Leitung von Studentenpfarrer Vogel,63 der in seiner Predigt darstellte, dass der »Geist des kollektiven Egoismus«, der zu den Opfern des Zweiten Weltkrieges geführt habe, »in unserer Zeit wieder Fuß« fasse und damit »der Menschheit neue Gefahr« drohe.
Darüber hinaus sagte Vogel, »der Dämon der Unmündigkeit sowie der Informationsenthaltung und -entstellung« würde »wieder von den Menschen Besitz ergreifen«. Dabei bezog er sich u. a. auf Fragen der »Umweltbelastung« und der »Atomwaffenstationierung in der DDR«.
Vogel rief dazu auf, sich in »Gruppen und Kreisen zusammenzufinden, um zu diskutieren, offener und mündiger zu werden« und forderte, sich »Gedanken zur Bildung von Friedenskreisen« zu machen, »etwas zu bewegen, auch wenn man sich dabei ab und zu eine Beule holt«.
In diesem Zusammenhang sprach sich Vogel für »zentrale Gottesdienste in der Stadt« aus, die durch derartige Gruppen gestaltet werden sollten. Abschließend äußerte Vogel, dass man sich »in erster Linie als Christ und erst in zweiter Linie als Deutscher fühlen« dürfe und sich »alle Christen auch über Ländergrenzen hinweg zusammenschließen« müssten.
Vor dem Gottesdienst wurden in der Zeit von 17.00 bis 18.45 Uhr durch Pfarrer Vogel und Mitglieder des »Friedenskreises« der ESG Karl-Marx-Stadt Podiumsgespräche zur Vorgeschichte des Zweiten Weltkrieges durchgeführt, wobei ca. 50 Personen anwesend waren.
Zu 32.
Auf die Möglichkeiten der Christen zu einer »vermittelnden Rolle« und auf ihre »Aufgabe der Versöhnung« hat der Vorsitzende des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR, Hempel,64 in dem Gedenkgottesdienst am 8. Mai 1985 in der Marienkirche der Hauptstadt der DDR, Berlin, hingewiesen. An dem Gottesdienst mit ca. 1 500 Besuchern nahmen auch ökumenische Gäste aus der ČSSR, Polen, der BRD, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden, Norwegen, der Sowjetunion, den USA sowie von den Jüdischen Gemeinden Berlin, Budapest und London teil.
Zu den ökumenischen Gästen aus der BRD gehörten die Bischöfe Harms/Oldenburg65 und Heubach/Bückeburg66 sowie Kirchenpräsident i. R. Hild/Darmstadt.67
Zugegen waren Mitglieder des Diplomatischen Corps, unter ihnen Bräutigam68 sowie Österreichs Botschafter Strasser.69 In seiner Predigt unterstrich Hempel die »besondere Beziehung« der evangelischen Kirchen in der DDR zu denen in der BRD, die durch die Entstehung zweier deutscher Staaten »geprüft und geprägt« sei und an der »durch Wandlungen hindurch« festgehalten werde. Er habe manchmal den Eindruck, »dass wir den sowjetischen Soldaten ihre Härte noch nicht vergeben haben, die sie im Vollzug des Sieges mitbrachten«.
Für das Zusammenleben von »christlichen und kommunistischen Bürgern« in der DDR registrierte der Bischof einen »Lernprozess«, der zu der Einsicht geführt habe, dass Kontakte notwendig und sinnvoll seien, Probleme besprochen und gelöst werden könnten, aber neue Erfahrungen nur langsam »haften« bleiben. Kritisch äußerte sich Hempel gegenüber den amerikanischen Plänen zur Bewaffnung des Weltraumes.70
An der »Liturgischen Nacht« in der Sophienkirche, organisiert vom Stadtjugendpfarramt, nahmen ca. 500 Personen, meist Jugendliche/Jungerwachsene, teil. Es liegen diesbezüglich keine politisch-operativen Hinweise auf feindlich-negative Aktivitäten vor.
Zu 33.
Während des ökumenischen Gottesdienstes in der Marktkirche von Halle am 8. Mai 1985,in der Zeit von 20.00 bis 21.15 Uhr (Teilnehmerzahl nicht bekannt) vertrat Bischof i. R. Krusche/Magdeburg71 in seiner Predigt, die sich mit dem 40. Jahrestag des Sieges und der Befreiung befasste, u. a. die pseudopazifistische Auffassung, dass »persönliche Friedensverträge zwischen der Jugend aus Ost und West« geschlossen werden sollten.72 Er rief alle Christen auf, sich aktiv für die Erhaltung des Friedens einzusetzen. Die Veranstaltung hatte nur geringe Resonanz.
Zu 34.
An dem »Friedensseminar« in der Kirchgemeinde Babelsberg/Potsdam am 8. Mai 1985 unter Leitung der Pfarrer Flade73 und Domrös74 nahmen ca. 100, vorwiegend jugendliche Personen teil, darunter Mitglieder der operativ bekannten pseudopazifistischen Gruppierung »Schmiede«.75 Die Veranstaltung lief unter der Thematik: »Emanzipation«.
Weitere Einzelheiten noch nicht bekannt.
Zu 35.
Der Gottesdienst in der Pfarrkirche von Güstrow, [Bezirk] Schwerin am 8. Mai 1985 (Beginn 17.30 Uhr) hat nicht stattgefunden.
Am Gottesdienst im Güstrower Dom (Beginn 19.30 Uhr) nahmen 24 Jugendliche/Jungerwachsene teil. Landesjugendpfarrer Lohmann76 leitete die Diskussion u. a. zu solchen Themen wie »Geschichte des 2. Weltkrieges«, »Ergebnisse des Krieges«, »Zerschlagung des Faschismus«.
Der bei der Veranstaltung kurzzeitig anwesende Lietz äußerte:
»Wenn ich an den 8. Mai denke, denke ich an einen Abgrund, der sich vor mir auftut und in dem ich persönlich objektive Missstände und Fehlleistungen erkenne«. Lohmann sowie anwesende bekannte feindlich-negative Kräfte unter den Jugendlichen brachten zum Ausdruck, mit der Veranstaltung infolge der geringen Teilnehmerzahl das Ziel nicht erreicht zu haben. Sie erfolgte ausschließlich im Dom zu Güstrow und war nicht öffentlichkeitswirksam.
Vor dem Gottesdienst hatten Lietz und drei weitere namentlich bekannte Mitglieder des »Güstrower Friedenskreises« in der Gedenkstätte für die Opfer des Faschismus einen Kranz mit der Aufschrift »Den Opfern der faschistischen Gewaltherrschaft zum Gedenken – Güstrower Christen« niedergelegt. Die Handlung war nicht öffentlichkeitswirksam.
Zu 36.
Der für den 8. Mai 1985 beabsichtigte Besuch der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte (NMG) Sachsenhausen77 durch Abgeordnete der »Alternativen Liste« des Westberliner Abgeordnetenhauses wurde durch Einreiseverweigerung verhindert. Der durch eingeleitete politisch-operative Sicherungsmaßnahmen an der NMG festgestellte Aufenthalt von zwei Mitgliedern der »Alternativen Liste« sowie mehrerer Angehöriger des »Pankower Friedenskreises« (Kranzniederlegung) erreichte keine Öffentlichkeitswirksamkeit und verlief ohne Vorkommnisse.
In einem Artikel unter dem Titel »Keine Einreise für Sachsenhausen – DDR verweigerte AL Besuch des ehemaligen Konzentrationslagers«, abgedruckt im »Volksblatt« – 9. Mai 1985, bewertet die »AL den Vorfall als ein peinliches Armutszeugnis«.78
»SPD-Sprecher Wilhelm Wiegreffe79 forderte die DDR-Behörden auf, ihre wiederholten kleinkarierten Blockaden gegen Mitglieder der AL und der Grünen endlich zu beenden«, heißt es in dem Artikel weiter.
Über eine Kranzniederlegung in der NMG durch eine Gruppe Homosexueller aus der BRD wurde nichts bekannt.
Zu 37.
Initiiert durch sechs Westberliner SPD-Bezirksorganisationen, die SEW, die »Arbeitsgemeinschaft verfolgter Sozialdemokraten«,80 den »Bund politisch, rassisch und religiös Verfolgter«,81 die »Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Verband der Antifaschisten«,82 fand am 8. Mai 1985 vor der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche eine Kundgebung statt, an der ca. 30 000 Personen teilnahmen. Auf der unter dem Motto »Nie wieder Krieg – Nie wieder Faschismus« stehenden Veranstaltung kritisierte die Theologin Dorothee Sölle83 insbesondere die »amerikanische Aufrüstungspolitik«, forderte der ehemalige USA-Präsidentschaftsbewerber Jackson,84 gemeinsam das Wiederaufleben von Rassismus und Antisemitismus in Europa und in den USA zu verhindern und erklärte, Europa müsse sich weigern, ein »Dauerlaboratorium für Raketenterror« zu werden. Jackson forderte namentlich Reagan und den Generalsekretär des ZK der KPdSU, Genossen Gorbatschow,85 auf, den »Rüstungswettlauf zu beenden«.
Die USA und die Sowjetunion sollten »endlich ein gemeinsames effektives Abrüstungskonzept schaffen«. Wladimir Gall86 (vom Komitee der Kriegsveteranen der UdSSR87) wertete seine Teilnahme an der Veranstaltung als »bescheidenen Beitrag zum Frieden in der Welt«.
Er betonte, dass die Sowjetunion Frieden wolle und nicht nach militärischer Überlegenheit strebe, wobei er ausgepfiffen wurde.
Zu 38.
Auf einer Gedenkstunde der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen in Köln am 8. Mai 1985 betonte der stellvertretende SPD-Vorsitzende und Ministerpräsident Rau,88 »die Vorstellung eines versklavten Europas, wie es das Ziel der Nazis gewesen sei, verdeutliche den 8. Mai 1945 als einen Tag der Befreiung«. Als Ehrengäste waren ausländische prominente Kommunalpolitiker, u. a. Genosse Schill, anwesend.
Die Kranzniederlegung auf dem sowjetischen Soldatenfriedhof Stukenbrock/bei Bielefeld in Anwesenheit von Genossen Moldt, weiterer Botschafter sozialistischer Länder, des Genossen Mies, des Bundestagsabgeordneten der Partei »Die Grünen«, Schily,89 und von Pfarrer Albertz90 verlief störungsfrei.
Zu 39.
Auf der DGB-Veranstaltung »40 Jahre Zerschlagung der Nazidiktatur – 40 Jahre Einheitsgewerkschaft« in Aachen am 8. Mai 1985 appellierte der DGB-Vorsitzende Breit91 an die Sowjetunion und die USA, »die Verantwortung ernst zu nehmen, die ihnen für den Weltfrieden zugewachsen und die mit dem Vernichtungspotenzial der modernen Atomwaffen noch größer geworden ist«. Der DGB fordere ein Einfrieren der Ausgaben für die Rüstung in Ost und West.
Auf der historischen Konferenz des DGB-Landesbezirkes Nordrhein-Westfalen unter dem Thema »Wie es zur Machtübernahme Hitlers kommen konnte« am 8. Mai 1985 in Aachen sprachen Breit und der stellvertretende SPD-Vorsitzende und Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Rau. Anwesend waren Gewerkschaftsvertreter aus der UdSSR, Ungarischen VR, SFR Jugoslawien, aus Frankreich, Belgien und Holland. Während der Veranstaltung kam es zu keinen feindlichen Aktivitäten/Äußerungen gegenüber der DDR und den anderen sozialistischen Staaten.
Zu 40.
An der gemeinsamen Sitzung des Bundestages und des Bundesrates am 8. Mai 1985 in Bonn nahmen die Bundesregierung, hohe Vertreter der Kirchen, des »Zentralrates der Juden in Deutschland« und Vertreter des Diplomatischen Corps teil. Bundespräsident von Weizsäcker92 bezeichnete den 8. Mai 1945 ausdrücklich als einen »Tag der Befreiung«, hob aber hervor, dass »der 8. Mai für uns Deutsche kein Tag zum Feiern, sondern ein Tag der Erinnerung« ist. Ausführlich ging von Weizsäcker auf das Schicksal der Juden und der »Heimatvertriebenen« ein. »Der Völkermord an den Juden sei in der Geschichte ohne Beispiel.« Er erklärte, »dass sich die Heimatvertriebenen früh und beispielhaft zum Gewaltverzicht bekannt hätten«.
Die »eigene Heimat« sei »mittlerweile anderen zur Heimat geworden«. »Gewaltverzicht heute« heiße »den Menschen dort, wo sie das Schicksal nach dem 8. Mai hingetrieben habe, und wo sie nun seit Jahrzehnten lebten, eine dauerhafte, politisch unangefochtene Sicherheit für ihre Zukunft zu geben und das Verständigungsgebot den widerstrebenden Rechtsansprüchen überzuordnen«.
Wegen der Anwesenheit des ehemaligen Baden-Württembergischen Ministerpräsidenten Filbinger93 (Marinerichter im Zweiten Weltkrieg) verließen der Abgeordnete der Partei »Die Grünen«, Schily, und zwei namentlich bekannte SPD-Abgeordnete unter Protest den Plenarsaal.
Zu 41.
Der ökumenische Gottesdienst im Kölner Dom unter gemeinsamer Verantwortung der Katholischen und Evangelischen Kirche sowie der Jüdischen Kulturgemeinde am 8. Mai 1985 fand in Anwesenheit von Bundespräsident von Weizsäcker und Bundeskanzler Kohl94 statt.
An der Veranstaltung (ca. 1 500 Teilnehmer) nahmen zahlreiche Mitglieder des Bundeskabinetts, Vertreter des Bundestages sowie kirchliche Delegationen, u. a. aus Großbritannien, Frankreich, den Benelux-Staaten, Norwegen und Polen teil. Als Vertreter der Evangelischen Kirchen der DDR war Bischof Gienke/Greifswald95 zum Gottesdienst eingeladen, der gemeinsam vom Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Lohse/Hannover,96 und dem Kölner Kardinal Höffner,97 Vorsitzender der Katholischen Deutschen Bischofskonferenz, zelebriert wurde.
Höffner sprach sich in seiner Predigt u. a. dafür aus, »nicht Schuld gegen Schuld aufzurechnen, sie nicht als Waffe gegeneinander zu gebrauchen«. Er lehnte eine »Kollektivschuld der Deutschen« ab und sprach von der »Mitverantwortlichkeit aller, auch der Kirchen«.
Er verwies auf das »Misstrauen und die Angst, die die Machtblöcke« entzweiten und auf das »fortdauernde Wettrüsten«.
»Viele junge, aber auch ältere Menschen« quäle die »entsetzliche Frage, ob für die Menschheit überhaupt noch Überleben möglich sei«.
Nach Ansicht von Landesbischof Lohse »sind auch 40 Jahre nach Kriegsende die Wunden des Krieges noch nicht verheilt«.
»Die Grenze, die seither Deutschland« teile, verstelle »vielen den Weg zur Versöhnung mit den östlichen Nachbarn«.
»Angesichts dieser Grenze, die auch trotzige Reaktionen« hervorrufe, werde »manchmal nur nach der Schuld der anderen gefragt und die eigene Schuld vergessen«.
»Doch solche Gedanken richten Mauern auf statt sie abzubauen«, sagte der Bischof und betonte, dass er »gerade im Blick auf den Osten weiterführende Schritte der Versöhnung für dringend geboten« halte.
Zu 42.
Die »ökumenische Begegnung« im Brandenburger Dom am 9. Mai 1985 wurde in Anwesenheit von 85 geladenen kirchlichen Persönlichkeiten, darunter die Bischöfe Hempel/Dresden, Forck/Berlin, Demke/Magdeburg98 und Stier/Schwerin99 sowie Altbischof Schönherr100 durchgeführt.
Im Plenum berichteten Oberkirchenrat Schulz,101 der englische Pfarrer Dr. Robert Davey,102 der polnische Geistliche Prof. Benedyktowicz103 sowie Pfarrer Scheidacker/Oranienburg104 über persönliche Erfahrungen mit dem deutschen Faschismus und dessen Einfluss auf ihre spätere Entwicklung. Am Nachmittag wurde die Veranstaltung in Arbeitsgruppen fortgesetzt. Es kam zu keinen feindlich-negativen Aktivitäten.
Zu 43.
Der Besuch der NMG Sachsenhausen am 10. Mai 1985 durch die ökumenischen Gäste, die am Gedenkgottesdienst am 8. Mai 1985 in der Marienkirche in der Hauptstadt der DDR, Berlin, teilgenommen haben, sowie die Besuche auf dem Waldfriedhof Halbe, an der Gedenkstätte für die Gefallenen der Roten Armee auf den Seelower Höhen am selben Tage verliefen störungsfrei und ohne Vorkommnisse.
Zu 44.
An dem Friedensfest am 11. Mai 1985 in der Westberliner Waldbühne nahmen ca. 10 000 Westberliner teil. Der Friedensforscher Prof. Kade105 wandte sich in einer Ansprache gegen die Pläne der Reagan-Administration zur Militarisierung des Weltraumes und verlangte den Stopp der Stationierung von Pershing-II und Cruise Missiles in Westeuropa.106
Zu 45.
Unter der Losung »Kein SS-Treffen in Nesselwang und anderswo – für Frieden und Völkerverständigung – gegen Krieg und Faschismus« protestierten am 11. Mai 1985 ca. 5 000 Mitglieder und Vertreter der Gewerkschaften, der SPD, der Partei »Die Grünen«, der DKP, der »Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes«, verschiedenster Friedensgruppen und linker Studentenorganisationen (vereinzelt auch »Punker« und »Rocker«) gegen die Zusammenrottungen ehemaliger Angehöriger der Waffen-SS in der bayerischen Gemeinde.
Der Aufruf des DGB war von 131 weiteren Organisationen und Verbänden aus der BRD und anderen Staaten sowie ca. 1 000 Einzelpersönlichkeiten unterstützt worden. Sie forderten darin ein Verbot der faschistischen »Traditions«-Verbände. Neben anderen Rednern attackierte der Landesvorsitzende des Bundes der Antifaschisten, Neumann,107 den bayerischen Innenminister Hillermeier,108 weil dieser das SS-Treffen nicht verhindert habe. CDU-Generalsekretär Geißler109 sehe er in der Kontinuität eines Joseph Goebbels.110
Zu 46.
Am 12. Mai 1985 erfolgte im Gemeindehaus der St.-Petri-Luisenstadtgemeinde in der Hauptstadt der DDR, Berlin, Neue Grünstraße ein »Partnerschaftstreffen« zwischen Mitgliedern dieser Gemeinde und des Westberliner Evangelischen Bezirksjugendringes Wilmersdorf, an dem ca. 15 Personen teilnahmen.
Über Inhalt und Verlauf dieser Zusammenkunft liegen noch keine Erkenntnisse vor.