V. Europäische Baptistische Jugendkonferenz in Eisenach
5. August 1985
Information Nr. 333/85 über den Verlauf der V. Europäischen Baptistischen Jugendkonferenz in Eisenach
Die V. Europäische Baptistische Jugendkonferenz fand in der Zeit vom 15. bis 25. Juli 1985 im Objekt der evangelischen Kirchen »Haus Hainstein«, Eisenach, Bezirk Erfurt, erstmalig in einem sozialistischen Land, statt.
An der Konferenz, die seit 1981 jährlich vom »Jugendkomitee der Europäischen Baptistischen Föderation« (EBF)1 – Teil des Baptistischen Weltbundes – organisiert wird, nahmen 140 Delegierte aus 14 europäischen Staaten teil (UdSSR, ČSSR, VR Polen, UVR, BRD, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Niederlande, Norwegen, Schweden, Österreich, Portugal). Aus der DDR waren 34 Delegierte vertreten.
Die Konferenz behandelte das Thema »Glaube – Wie kann ich damit leben?« unter theologischen Aspekten und wurde geleitet von Brongers, Piet/Niederlande,2 Stellvertretender Vorsitzender des »Jugendkomitees« EBF, Pritzkuleit, Klaus/Vertreter des »Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in der DDR«3 (BefG), Jugendreferent, Berlin und Rosemann, Siegfried/Jugendpfarrer des BefG, Berlin.4
An der Konferenz nahmen kurzzeitig der Generalsekretär der EBF, Wümpelmann/Dänemark5 und der Vorsitzende der »Jugendkommission« der EBF, Kühne/BRD,6 teil.
Vorbereitungen und Verlauf der Veranstaltung verdeutlichten, dass die Veranstalter durchgängig bemüht waren, den religiösen Charakter zu wahren und theologische Gesichtspunkte in den Mittelpunkt der Erörterungen zu rücken.
Auch innerhalb vorgegebener Diskussionskomplexe, wie z. B.: »Ideal und Wirklichkeit im Leben der Gemeinde und im Leben der Gesellschaft« wurden keine politisch negativen Aussagen getroffen.
Bewährt hat sich die langfristig vorbereitete Einflussnahme der zuständigen staatlichen Organe im engen Zusammenwirken mit dem MfS auf die Veranstalter in der DDR mit dem Ziel der Wahrung des religiösen Charakters und der Verhinderung des politischen Missbrauchs der Konferenz. Dieses Vorgehen hat maßgeblich dazu beigetragen, dass es zu keinen politisch negativen Aussagen kam.
Einen positiven Eindruck hat bei den Delegierten aus nichtsozialistischen Ländern einschließlich der BRD die Gesprächsbereitschaft von Kommunalpolitikern der DDR sowie Inhalt und Verlauf der Gespräche mit ihnen hinterlassen, insbesondere im Zusammenhang mit Führungen und Diskussionen in der Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald7 sowie mit der am 24.7.1985 im Stadtpark von Eisenach durchgeführten »Baumpflanzaktion«. Auch die Besuche und Gespräche in 21 Gemeinden des BefG in den Bezirken Karl-Marx-Stadt, Suhl, Gera und Erfurt trugen dazu bei.
Festzustellen war in diesem Zusammenhang ein großes Informationsbedürfnis von Delegierten aus nichtsozialistischen Ländern einschließlich der BRD, die zum Teil erstmalig in der DDR weilten, hinsichtlich der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in der DDR, wobei von einem Teil geäußert wurde, die persönlichen Gespräche hätten wesentlich zum Abbau von gegen die DDR bestehenden Vorurteilen beigetragen.
Sowohl im Plenum als auch in den Gesprächsgruppen der Konferenz wurde wiederholt von Leitungskräften und Delegierten der Dank an die staatlichen Organe der DDR für die großzügige Unterstützung bei der Vorbereitung und Durchführung der Konferenz ausgesprochen. Dieser Dank wurde u. a. vom Stellvertretenden Vorsitzenden des »Jugendkomitees« der EBF, Brongers, offiziell vor dem Plenum vorgetragen.
Zum Verlauf der Konferenz ist bemerkenswert:
Zum Thema »Ideal und Wirklichkeit im Leben der Gesellschaft« wurde der Einführungsvortrag durch den Jugendpfarrer des »Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in der DDR«, Rosemann, gehalten. Er appellierte an die Anwesenden, »nicht nur zu beten, sondern etwas für den Frieden zu tun«. Dabei hob er hervor, »das Spannungsfeld zwischen Ideal und Wirklichkeit in den Gesellschaftsstrukturen unserer Zeit« zu beachten.
In Gesprächsgruppen und anderen Diskussionsrunden wurden Probleme der Erhaltung des Friedens und Möglichkeiten des verstärken Umweltschutzes behandelt. In diesem Zusammenhang wurden alle Rüstungsanstrengungen im konventionellen, atomaren und kosmischen Bereich verurteilt und betont, die zunehmende Belastung und Zerstörung der natürlichen Umwelt bedrücke die Menschheit. Es wurde aufgefordert, sich als Christen stärker im Friedenskampf zu engagieren.
In Einzelfällen wurden von Delegierten aus westlichen Ländern Fragen nach der Ableistung des Wehrdienstes in Einheiten der Bausoldaten8 in den sozialistischen Ländern gestellt. Durch das Auftreten von Delegierten aus der DDR erlangten diese Probleme in der Diskussion keine Bedeutung.
Der Vorsitzende der »Jugendkommission« EBF, Kühne/BRD, brachte mehrfach in Gesprächen zum Ausdruck, die Baptistische Jugend solle nicht auf christliche Traditionen, sondern stärker auf die politische Arbeit ausgerichtet werden und im Sinne der Erhaltung des Friedens »Aufgaben übernehmen«. Dazu sei der »Gedankenaustausch zwischen Ost und West notwendig«. Diese »Anregungen« wurden in der Diskussion vor der Konferenz nicht aufgegriffen.
Der Stellvertretende Vorsitzende des »Jugendkomitees« EBF Niederlande, Brongers, äußerte auf einem Treffen mit dem Bürgermeister der Stadt Eisenach u. a., Kirche und Staat müssten »Hand in Hand gehen« und betonte, erforderlich sei »eine Erweiterung der Reisemöglichkeiten aller Jugendlichen, damit geschlossene Freundschaften nicht an Ländergrenzen aufhörten«.
Die Konferenzteilnehmer verabschiedeten einen zusammenfassenden Bericht über den Verlauf der Tagung. Das vierseitige Papier (das dem MfS im Wortlaut vorliegt und bei Bedarf angefordert werden kann) enthält keine politisch-negativen Aussagen. Es werden darin der »Dank an die staatlichen Stellen der DDR und Behörden der Stadt Eisenach« für die Unterstützung bei der Durchführung der Konferenz in der DDR ausgesprochen, die Notwendigkeit der »gleichgewichtigen Teilnahme« von Vertretern aus sozialistischen Staaten betont und der Wunsch an »unsere Regierungen« ausgesprochen, »den Bewegungsmöglichkeiten von jungen Menschen zwischen Ost und West verstärkte Aufmerksamkeit zuzuwenden und Bedingungen für deren Realisierung zu schaffen«.
Die nächsten Baptistischen Jugendkonferenzen wurden für 1986 in Schweden (VI. Europäische Baptistische Jugendkonferenz) und 1988 in Glasgow/Schottland (Baptistische Weltjugendkonferenz) festgelegt.
In diesem Zusammenhang wurde der Wunsch geäußert, die Teilnehmer der Konferenz in Eisenach würden es begrüßen, baldmöglichst eine Baptistische Jugendkonferenz wieder in einem sozialistischen Land durchführen zu können.