Zerstörung von FDJ-Hemden durch Jugendliche
1. Juli 1985
Information Nr. 285/85 über das Zerreißen und Verbrennen von Blauhemden der FDJ durch jugendliche/jungerwachsene DDR-Bürger in Falkensee, [Kreis] Nauen, [Bezirk] Potsdam
Am 20. Juni 1985 erfolgte die Einleitung von Ermittlungsverfahren gegen [Name 1, Vorname] (24), Schlosser im VEB Stahl- und Walzwerk Hennigsdorf, wohnhaft 1540 Falkensee, [Straße, Nr.], mehrfach wegen Körperverletzung, Rowdytum, Diebstahl sozialistischen Eigentums und Missachtung staatlicher und gesellschaftlicher Symbole vorbestraft; letzte Vorstrafe Mai 1985 wegen Körperverletzung und Diebstahl sozialistischen Eigentums, ein Jahr Freiheitsstrafe, Strafantritt: 20. Juni 1985, wegen Missachtung staatlicher und gesellschaftlicher Symbole, Rowdytum und Erpressung gemäß §§ 222,1 2152 und 127 StGB mit Haft,3 [Name 2, Vorname] (16), Schüler der 10. Klasse der »Geschwister-Scholl-Oberschule«, Falkensee, wohnhaft 1540 Falkensee, [Straße, Nr.], vorbestraft im August 1983 wegen Diebstahl sozialistischen Eigentums, sechs Monate Freiheitsentzug angedroht, zwei Jahre Bewährung, wegen Missachtung staatlicher und gesellschaftlicher Symbole und Rowdytum gemäß §§ 222 und 215 StGB mit Haft und [Name 3, Vorname] (18), Lehrling bei der Deutschen Reichsbahn, Bahnmeisterei Wustermark, wohnhaft 1540 Falkensee, [Straße, Nr.], wegen Missachtung staatlicher und gesellschaftlicher Symbole und Rowdytum gemäß §§ 222 und 215 StGB ohne Haft.
Der Einleitung der Ermittlungsverfahren lag zugrunde:
[Name 2] und [Name 3] hielten sich gegen Mittag des 18. Juni 1985 mit zwei weiteren namentlich bekannten Schülern im Bereich einer Bushaltestelle vor der »Geschwister-Scholl-Oberschule« in Falkensee auf (ist bei allen Jugendlichen in Falkensee als jugendlicher Treffpunkt im Rahmen der Freizeitgestaltung bekannt), als der genannte [Name 1] erschien. [Name 2] trug zu diesem Zeitpunkt aufgrund einer von ihm zuvor abgelegten Abschlussprüfung in der 10. Klasse ein FDJ-Hemd,4 von dem [Name 1] unmittelbar nach seinem Eintreffen eine Schulterklappe abriss (Umstände sind noch nicht zweifelsfrei geklärt). Inspiriert durch diese Handlungsweise riss [Name 3] dem [Name 2] die zweite Schulterklappe vom FDJ-Hemd ab.
Im Verlaufe dieser Handlungen kam ein weiterer namentlich bekannter Schüler der 10. Klasse, ebenfalls aufgrund von Abschlussprüfungen mit einem FDJ-Hemd bekleidet, hinzu, dem [Name 1] das FDJ-Hemd vom Körper riss. Gemeinsam mit [Name 2] zerriss [Name 1] danach dieses FDJ-Hemd in einzelne Fetzen, wobei der geschädigte Schüler keinen Widerstand entgegensetzte, weil ihm [Name 1] als Schläger bekannt war.
Durch [Name 2] wurde im Folgenden im Beisein der genannten Personen in zwei Fällen ein Stück des FDJ-Hemdes angezündet und kurz darauf die Flamme wieder gelöscht. Während dieser Handlungen hielt [Name 1] einen vorbeifahrenden namentlich bekannten Mopedfahrer an, zapfte aus dem Krad Kraftstoff ab und tränkte damit Stofffetzen des FDJ-Hemdes des geschädigten Schülers. Diese Stofffetzen wurden von [Name 1] und [Name 2] mit dem Rest des am Boden liegenden FDJ-Hemdes verbrannt.
Unmittelbar danach wurde durch [Name 1] ein namentlich bekannter Schüler der 9. Klasse der genannten Schule durch Gewaltanwendung (Faustschläge in das Gesicht) gezwungen, Alkohol und Zigaretten zu kaufen, und unter Androhung von Gewalt genötigt, sich durchsuchen zu lassen, wobei ihm [Name 1] verbliebene 7,00 Mark wegnahm (der bei dem Schüler eingetretene Schaden beträgt 50,50 Mark; schwerwiegende gesundheitliche Schäden erlitt er nicht).
[Name 1] will seinen bisherigen Aussagen zufolge unter starkem Alkoholeinfluss gehandelt und keine Erklärung für seine Verhaltensweise haben (eine Blutalkoholuntersuchung konnte infolge Überschreitens der dafür erforderlichen Zeit nicht mehr durchgeführt werden). [Name 2] und [Name 3] sagen zur Motivation ihrer Handlungen aus, sich dem Verhalten von [Name 1] angeschlossen zu haben, um sich gegenüber anderen am Tatort aufhaltenden Jugendlichen hervorzutun.
Bei [Name 1] handelt es sich um eine zu rowdyhaften Handlungen neigende und die öffentliche Ordnung permanent missachtende Person.
Infolge seiner Vorstrafen herrscht ein gespanntes Verhältnis zu seinen Eltern (der Vater ist Offizier der Grenztruppen, hat jedoch keinen erzieherischen Einfluss mehr auf seinen Sohn).
[Name 2] zeigte außerordentliche Schwierigkeiten bei der Einordnung in das Klassen- und Schulkollektiv, reagiert anmaßend, teilweise brutal und aggressiv. Die Eltern (Gasmonteur, Disponentin) üben kaum erzieherischen Einfluss auf ihren Sohn aus.
[Name 3] wuchs in geordneten familiären Verhältnissen auf, hat angeblich eine positive Einstellung zu den gesellschaftlichen Verhältnissen in der DDR, was u. a. darin zum Ausdruck kommt, dass er sich als Unteroffizier auf Zeit verpflichtete. Im Rahmen der FDJ-Arbeit entwickelte er sich zu einem gesellschaftlich aktiv wirkenden Jugendlichen.
Es ist vorgesehen, die Ermittlungsverfahren gegen die drei Personen bis zum 5. Juli 1985 abzuschließen, [Name 1] als Rückfalltäter zu einer empfindlichen Freiheitsstrafe sowie [Name 2] zu einer Haftstrafe von drei Monaten zu verurteilen (bei gleichzeitigem Widerruf der Bewährung) und gegen [Name 3] Strafbefehl zu erlassen (die Hauptverhandlung findet vor dem Kreisgericht Nauen statt).
Am 29. Juni 1985 erfolgte in der »Geschwister-Scholl-Oberschule« in Falkensee unter Teilnahme des Staatsanwaltes und von Mitarbeitern des Untersuchungsorgans des MfS eine Auswertung des Vorkommnisses mit den Schülern der beiden 10. Klassen, den Pädagogen und der FDJ-Leitung im Beisein von Vertretern der Elternaktive und des Elternbeirats, wobei von den Anwesenden die konsequente Anwendung des sozialistischen Rechts gegen die genannten Personen gefordert wurde.